Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 11
Für die vertragsärztliche Versorgung gilt die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) v. 20.12.2012 (BAnz AT 31.12.2012 B7), in Kraft getreten am 1.1.2013; die Richtlinie ist inzwischen mehrfach geändert worden, zuletzt am 21.4.2022 (veröffentlicht im BAnz AT 18.8.2022) und in der geänderten Form mit Wirkung zum 19.8.2022 in Kraft getreten (zur demokratischen Legitimation: BVerfG, Beschluss v. 10.11.2015, 1 BvR 2056/12). Die Richtlinie, die nach § 94 für ihr rechtliches Wirksamwerden dem BMG vorzulegen ist, ggf. vom BMG beanstandet werden kann sowie im BAnz zu veröffentlichen ist, umfasst 68 Paragrafen und 47 Anlagen. Sie bezieht sich auf alle vorgenannten Rechtsgrundlagen, geht also über die Überschrift "Überversorgung" der Vorschrift hinaus. Rechtsgrundlage ist Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 4 bis 12. Einheitliche Verhältniszahlen (Abs. 1 Nr. 1) bedeutet nicht, dass diese bundesweit festgelegt sein müssen. Verhältniszahlen können auch nach regionalen Versorgungsstufen differenziert werden (Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 101 Rz. 99). Die Paragrafenfolge ist unterteilt in 13 Abschnitte, welche wie folgt definiert sind:
1. Abschnitt: Allgemeines,
2. Abschnitt: Grundlagen der Bedarfsplanung,
3. Abschnitt: Hausärztliche Versorgung,
4. Abschnitt: Fachärztliche Versorgung,
5. Abschnitt: Feststellung des allgemeinen Versorgungsgrades als Ausgangsrelation für die Prüfung von Überversorgung und Unterversorgung,
6. Abschnitt: Überversorgung,
7. Abschnitt: Unterversorgung,
8. Abschnitt: Sonderbedarf, Maßstäbe für zusätzliche lokale und qualifikationsbezogene Sonderbedarfsfeststellungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Vorschrift),
9. Abschnitt: Zulassung zur gemeinsamen Berufsausübung bei Zulassungsbeschränkungen,
10. Abschnitt: Maßstäbe für eine ausgewogene hausärztliche und fachärztliche Versorgungsstruktur,
11. Abschnitt: Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren für die Berücksichtigung der in medizinischen Versorgungszentren nach § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V tätigen Ärzte oder in Versorgungseinrichtungen nach § 400 Abs. 2 SGB V (bis 19.10.2020 § 311 Abs. 2) beschäftigten Ärzte bei der Bedarfsplanung sowie Planungsentscheidungen bei Überversorgung und Unterversorgung und im Genehmigungsverfahren der Zulassungsausschüsse,
12. Abschnitt: Beschäftigung von angestellten Ärzten,
13. Abschnitt: Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen.
In den Anlagen sind, nach Hauptgebieten unterteilt, die Arztzahlen, die Struktur des Bedarfsplans, dessen Inhalt und Form sich nach der Anlage 2 der Richtlinie bestimmen, die Planungsblätter, die Zuordnung der Planungsbereiche nach den §§ 11 bis 14, der Morbiditätsfaktor, die Ermittlung der Basis-Verhältniszahlen, die Methodik der Typisierung der Kreise sowie die Nutzung von Geoinformationen im Rahmen von Anträgen auf Sonderbedarf enthalten.
Teilweise in der aktuellen Bedarfsplanungs-Richtlinie abgesenkte Verhältniszahlen sowie die Anwendung des Morbiditätsfaktors (§ 9 Bedarfsplanungs-Richtlinie) führten im Ergebnis zu zusätzlichen freien Arztsitzen für eine Reihe von Arztgruppen. Außerdem eröffneten neue Quotenregelungen weitere Niederlassungsmöglichkeiten.
Aufgrund der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie sollten prognostisch bundesweit rd. 3.500 zusätzliche Arztsitze entstehen, von denen ca. 1.500 auf Hausärzte entfallen sollten, ca. 800 auf Psychotherapeuten, ca. 400 auf Kinder- und Jugendärzte, ca. 480 auf Nervenärzte, ca. 130 auf Augenärzte und ca. 100 auf Rheumatologen. Der Rest sollte sich auf andere Arztgruppen verteilen. Damit wird dem Vernehmen nach auch weiterhin eine bedarfsgerechte vertragsärztliche Versorgung gewährleistet.
Auch wenn die mit dem TSVG geänderte Richtlinie bereits mit Wirkung zum 1.7.2019 in Kraft getreten war, entfaltete sie ihre rechtliche Wirkung erst nach einem entsprechenden Anpassungsbeschluss des jeweiligen Landesausschusses zur Änderung des regionalen Bedarfsplans. Die Anpassung hatte innerhalb von 6 Monaten zu erfolgen.
Mittlerweile sind aber die regionalen Bedarfspläne in allen KV-Bereichen der Bedarfsplanungs-Richtlinie entsprechend angepasst.
2.2.1 Zweck und Regelungsbereich
Rz. 12
Nach § 1 des 1. Abschnitts dient die Bedarfsplanungs-Richtlinie der einheitlichen Anwendung der Verfahren bei der Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (einschließlich der psychotherapeutischen Versorgung) aufgrund von Überversorgung und Unterversorgung. Zu diesem Zweck regelt die Richtlinie auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 der Vorschrift
- die vertragsärztliche Bedarfsplanung, insbesondere den Inhalt der Feststellungen in den Bedarfsplänen und die Abgrenzung der Planungsbereiche (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 sowie § 99 SGB V; § 12 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte – Ärzte-ZV),
- Beispiele regionaler Besonderheiten, die bei ...