Rz. 4
Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift legt der Gemeinsame Bundesausschuss mit Wirkung zum 1.1.2012 in Richtlinien fest, welche chronischen Krankheiten dafür geeignet sind, strukturierte Behandlungsprogramme nach Maßgabe des Satzes 2 zu entwickeln, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Der Arbeitsaufwand des Gemeinsamen Bundesausschusses hat sich dadurch jedoch kaum verändert, hatte er doch bisher schon nach Maßgabe des Abs. 1 Satz 2 geeignete chronische Krankheiten dem BMG zu empfehlen und nach Anweisung durch das BMG die medizinisch-inhaltlichen Anforderungen an das Behandlungsprogramm zu entwickeln. Allerdings hat der Gemeinsame Bundesausschuss, nachdem sich die strukturierten Behandlungsprogramme nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Praxis durchgesetzt haben, auch einen Kompetenzzuwachs erfahren, weil er in seiner Richtlinie die geeignete chronische Krankheit für das Behandlungsprogramm und dessen medizinisch-inhaltliche Anforderungen verbindlich festlegt. Allerdings bleibt das BMG insoweit weiter eingebunden, als die jeweilige Richtlinie gemäß § 94 dem BMG vorzulegen ist und das BMG im Rahmen seiner Richtlinienprüfung u. a. Beanstandungen vornehmen und ggf. sogar eine Ersatzvornahme durchführen kann. Wenn die Richtlinie im Bundesanzeiger und deren tragende Gründe im Internet veröffentlicht sind, erlangt sie gemäß § 92 Abs. 8 Verbindlichkeit für die Krankenkassen und ihre Verbände sowie für die am Behandlungsprogramm teilnehmenden Leistungserbringer (Vertragsärzte, zugelassene medizinische Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser), die alle im Rahmen der ambulanten ärztlichen Behandlung an den Bundesmantelvertrag-Ärzte gebunden sind, zu dessen Bestandteil die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gehören.
Die Zusammensetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses steht für eine sachgerechte Auswahl der Krankheitsbilder. Im Unterausschuss "Disease-Management-Programme" des Gemeinsamen Bundesausschusses wirken neben einem unparteiischen Mitglied als Vorsitzender 3 Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), 3 Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und 6 Vertreter der Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) mit. Außerdem nehmen Patientenvertreter mit beratender Stimme an den Sitzungen des Unterausschusses sowie des Plenums des Gemeinsamen Bundesausschusses teil (vgl. § 140f Abs. 2). Im Unterausschuss soll über die geplante Richtlinie möglichst Konsens herbeigeführt werden; ist das nicht möglich, entscheidet das Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses (vgl. § 91), welches auch die konsentierte Richtlinie verabschiedet. Wenn sich Behandlungsprogramme in der Praxis weiterhin bewähren, ist nicht ausgeschlossen, dass von den Patientengruppen, Selbsthilfegruppen oder anderen Leistungserbringern Druck entsteht, andere chronische Krankheiten für das DMP auszuwählen und entsprechende Richtlinien zu erarbeiten. Die zeitliche und die zahlenmäßige Vorgabe, chronische Krankheiten für strukturierte Behandlungsprogramme zu empfehlen, konnte mit Wirkung zum 31.12.2003 entfallen; der damals zuständige Koordinierungsausschuss hatte fristgerecht Krankheitsbilder empfohlen, wie Diabetes mellitus Typ 2, Brustkrebs, Koronare Herzkrankheit (KHK), Diabetes mellitus Typ 1, Asthma bronchiale, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankungen), für die zwischen 2002 und 2005 strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt worden sind, die zurzeit von den meisten Krankenkassen entsprechend den dazu ergangenen Rechtsverordnungen des BMG in die Praxis umgesetzt werden. Mit Wirkung zum 1.7.2009 ist im Rahmen des DMP KHK das Modul "Chronische Herzinsuffizienz" eingeführt worden.
Rz. 4a
Die bestehende Rechtsverordnung dient nach § 266 Abs. 7 Nr. 3 u. a. dazu, die für die Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds (Risikostrukturausgleich) maßgebende Abgrenzung der zu berücksichtigenden Versichertengruppen festzulegen, die sich in die Behandlungsprogramme einschreiben und entsprechend den Anforderungen der einzelnen Behandlungsprogramme teilnehmen. Dies bleibt, auch wenn die Festlegung der chronischen Krankheiten und die zu entwickelnden Behandlungsprogramme den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zugeordnet sind. Die finanzielle Zuweisung ist der wesentliche Grund, weshalb sich die Krankenkassen sehr um die Teilnahme der bei ihnen versicherten chronisch Kranken an den strukturierten Behandlungsprogrammen bemühen. Allerdings ist für die Krankenkassen der Anreiz für eine allzu aggressive Werbung bei Ärzten oder Patienten für die Teilnahme an DMP dadurch etwas verringert worden, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die finanzielle Zuweisung je eingeschriebenen Versicherten in den letzten Jahren mehrmals gesenkt hat. Die Krankenkasse hat darüber hinaus die Möglichkeit, in ihrer Satzung im Rahmen der Wahltarife für die am DMP teilnehmenden Versicherten besondere Tarife anzubieten, in denen z. B. eine Prämienzahlung oder Zuzahlungserm...