0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 5 Nr. 12 des Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) v. 22.3.2020 (BGBl. I S. 604) mit Wirkung zum 1.4.2020 eingeführt worden. Die Norm gehört zum neugestalteten Haftungssystem, mit dem historisch entstandene Verwerfungen im Wettbewerb der Krankenkassen beseitigt werden. Sie regelt die Haftung im Insolvenzfall und tritt an die Stelle des bisherigen § 171d. Dessen wesentliche Regelungen werden übernommen. Abs. 1 und 5 werden angepasst, um die Abschaffung der vorrangigen Haftungsverpflichtung der Krankenkassen derselben Kassenart auch für den Fall der Insolvenz einer Krankenkasse nachzuvollziehen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift definiert den Insolvenzfall (Abs. 1) mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Krankenkasse oder der Abweisung der Eröffnung mangels Masse. Beide Ereignisse werden durch einen entsprechenden Gerichtsbeschluss nach der InsO (§§ 27 bis 30) bestimmt. Die nachfolgenden Haftungsregelungen greifen nur bei Eintreten eines dieser beiden Tatbestände.
Rz. 3
Haftbar ist der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), der die Haftungssumme bei den anderen Krankenkassen geltend macht.
Rz. 4
Die Haftungsregelung umfasst insbesondere Verbindlichkeiten im Rahmen der Altersversorgungsverpflichtungen, weil die meisten Krankenkassen dafür – aufgrund der aufgehobenen Insolvenzfähigkeit durch die Länder – keine Rücklagen gebildet hatten. Mit der Herstellung der tatsächlichen Insolvenzfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. Komm. zu § 160) ergab sich damit die Notwendigkeit, die fehlende insolvenzfeste Deckung ersatzweise herzustellen. Anderenfalls würden im Insolvenzfall die Versorgungsempfänger höchstens Leistungen in Höhe der Insolvenzquote erhalten, was jedoch aufgrund des beamtenrechtlichen Status der dienstordnungsmäßig Angestellten (DO-Angestellte) und der daraus resultierenden Versorgungszusagen rechtlich kaum haltbar wäre. Der Abschluss neuer DO-Anstellungsverträge war bis zum 31.12.1992 zulässig (§ 358 RVO) und führt in den noch laufend bestehenden Verträgen zu einem beamtenähnlichen Status der Beschäftigten, da die jeweils geltende Dienstordnung das Beamtenrecht inklusive Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung für anwendbar erklärt. Entsprechend besteht für diesen Personenkreis keine Rentenversicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).
Rz. 5
Ab dem 1.1.2010 besteht für alle Krankenkassen die Verpflichtung zum Aufbau entsprechenden Deckungskapitals (§ 170), soweit dies nicht bereits in der Vergangenheit erfolgt ist. Im Insolvenzfall haftet ab 2010 darüber hinaus der Pensions-Sicherungs-Verein. Der Pensions-Sicherungs-Verein wurde allein zum Zweck der Insolvenzsicherung nach dem Gesetz zur Verbesserung der Betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gegründet. Es ist daher sachgerecht, dass sich die Haftung des GKV-Spitzenverbandes auf Altersversorgungsverpflichtungen beschränkt, die bis zum 31.12.2009 entstanden sind. Die gesetzliche Anordnung einer Haftung des GKV-Spitzenverbandes auch für ab 2010 neu entstehende Versorgungsansprüche würde eine nicht gerechtfertigte Übersicherung bedeuten (BT-Drs. 16/10070 S. 16).
Rz. 6
Die bisherige Einbeziehung der Altersteilzeitverpflichtungen in die Haftung ist mittlerweile gegenstandslos geworden, da diese nach § 171d Abs. 1a nicht für Insolvenzfälle nach dem 1.1.2015 galt, bis zu diesem Zeitpunkt jedoch kein Insolvenzfall einer Krankenkasse eingetreten ist. Aus diesem Grund entfällt auch die Regelung des bisherigen § 171d Abs. 1a.
Rz. 7
Mit Abs. 4 wird eine weitere Haftungsverpflichtung bestimmt, die direkt – ohne den GKV-Spitzenverband – die Krankenkassen betrifft. Sie haften für die Ansprüche der Leistungserbringer und der Ansprüche aus der Versicherung und für die Erfüllung der Forderungen aufgrund zwischen- und überstaatlichen Rechts. Der Anspruch richtet sich nicht gegen den GKV-Spitzenverband, sondern gegen alle anderen Krankenkassen.
Rz. 8
Die Vorschrift führt im Ergebnis zu einer Privilegierung der Versorgungsempfänger, der Nutzer der Altersteilzeitregelungen sowie der Leistungserbringer und Leistungsempfänger gegenüber anderen Gläubigergruppen. Sie werden in vollem Umfang befriedigt und sind nicht auf die Insolvenzquote angewiesen. Der ansonsten im Insolvenzrecht herrschende Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger ist insoweit im Insolvenzfall einer gesetzlichen Krankenkasse aufgehoben.
Rz. 8a
Nach ersten Erfahrungen mit der Schließung von Krankenkassen ergab sich, dass die Abwicklung geschlossener Kassen den zunächst eintretenden GKV-Spitzenverband (vgl. Rz. 32) finanziell vor hohe Anforderungen stellte. Mit Abs. 5 der Vorschrift wird klargestellt, dass der GKV-Spitzenverband zur Zwischenfinanzierung notwendige Darlehen aufnehmen kann. Die Regelung war zunächst bis zum 31.12.2014 befristet, gilt inzwischen jedoch zeitlich unbegrenzt.
Rz. 9
§ 169 gilt nicht für die Sozialversicherung für Land...