0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 24f trat aufgrund des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungsgesetz – PNG) v. 23.10.2012 (BGBl. I S. 2246) am 30.10.2012 in Kraft und löste damit den bis dahin geltenden § 197 RVO ab. Seitdem ist der Text der Vorschrift unverändert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Versicherungstechnisch stellt eine Entbindung einen biologisch normalen Zustand und damit keine Krankheit dar (vgl. BSG, Urteile v. 28.4.1967, 3 RK 12/65, sowie v. 18.6.2014, B 3 KR 10/13 R). Aus diesem Grund bedurfte es mit § 24f einer speziellen Anspruchsgrundlage, damit die Krankenkasse die Kosten für eine ambulante oder stationäre Entbindung übernehmen kann.
Rz. 3
Obwohl die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c ff.) wegen des fehlenden Krankheitswertes nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zählen, haben die Krankenkassen die Kosten für die Leistungen, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft und Entbindung stehen, als "krankenversicherungsfremde" Leistung zu tragen. Als Entschädigung für die versicherungsfremden Leistungen sieht § 221 pauschalierte Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfond und somit letztendlich an die Krankenkassen vor. Seit dem Jahr 2017 erhalten die Krankenkassen über den Gesundheitsfonds als Ausgleich jährlich 14,5 Mrd. EUR (vgl. § 221). In diesem Betrag sind allerdings auch Ausgleichsbeträge für weitere versicherungsfremde Leistungen enthalten.
2 Rechtspraxis
Rz. 4
Die Versicherte hat Anspruch auf Leistungen zum Zwecke der Entbindung, und zwar solange, wie die Leistungen aus medizinischer Sicht wegen des Entbindungsprozesses oder wegen der medizinischen Folgen des Entbindungsprozesses notwendig sind (z. B. gesundheitliche Schwächung der Mutter).
Die Versicherte hat das Wahlrecht, den Ort ihrer Entbindung selbst zu bestimmen, und zwar entweder
- stationär in einem Krankenhaus oder in einer anderen für die Zwecke der Entbindung zugelassen Vertragseinrichtung (Rz. 6 ff.),
- ambulant in einem Krankenhaus (Rz. 20; hier erfolgt zwar die Entbindung als solche im Krankenhaus, die Frau wird jedoch dann zeitnah mit dem Kind nach Hause "entlassen"; diese Art der Geburt wird von den Müttern gewünscht, denen während des eigentlichen Entbindungsvorgangs die Anwesenheit eines Arztes wichtig ist, die aber nicht über Nacht im Krankenhaus bleiben möchten),
- ambulant in einem Geburtshaus (von Hebammen geführte Einrichtung, in der Entbindungen vorgenommen werden; Rz. 23 f.),
- ambulant in einer von einer Hebamme oder ärztlich geleiteten Einrichtung (z. B. Hebammenpraxis; Einrichtung, in der sich jede werdende Mutter rund um die Schwangerschaft und in der Zeit nach der Geburt betreuen lassen kann (Rz. 21 und 22) oder
- im Rahmen einer Hausgeburt (Rz. 25). Hier erhält die Versicherte während der zu Hause oder im privaten Bereich durchgeführten Entbindung Unterstützung durch die Hebamme und bei medizinischem Bedarf auch durch den Vertragsarzt.
Wählt eine Versicherte statt einer ambulanten eine stationäre Entbindung, hat die Krankenkasse diese Wahl auch bei "Normalgeburten" zu akzeptieren und die entstehenden Kosten zu tragen. Der sonst in der Krankenversicherung herrschende Wirtschaftlichkeitsgrundsatz "ambulant statt stationär" (vgl. § 2 Abs. 4 und § 12) ist in diesen Fällen wegen der Gefahr von jederzeit auftretenden Komplikationen bei der Entbindung zu vernachlässigen.
Im Verhältnis zur stationären Entbindung wählen lediglich gut 10 % aller Frauen eine Entbindung in ambulanter Form, wobei z. B. im Jahr 2017 ca. 2 % auf Hausgeburten und Geburten in hebammengeleiteten Einrichtungen entfielen. Die meisten der ambulanten Geburten fanden somit auch im Krankenhaus statt.
Wird die Versicherte zur stationären Entbindung in einem Krankenhaus oder in einer anderen stationären Einrichtung aufgenommen, hat sie für sich und das Neugeborene Anspruch auf Unterkunft, Pflege und Verpflegung. Sofern das Neugeborene jedoch selbst wegen Krankheit der stationären Behandlung bedarf, liegt – losgelöst von der Entbindung – ein eigener Versicherungsfall (Krankenhausbehandlung nach § 39) vor. Das gilt auch dann, wenn das neugeborene Kind direkt nach der Geburt auf eine andere Station des Krankenhauses verlegt wird.
Rz. 5
Eine Fehlgeburt stellt keine Entbindung i. S. d. § 24f dar. Eine Fehlgeburt liegt vor, wenn
- die Leibesfrucht weniger als 500 g wiegt,
- die 24. Schwangerschaftswoche noch nicht erreicht wurde und
- bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib weder das Herz geschlagen oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat
(§ 31 Personenstandsverordnung – PStV).
Im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich bei einer Fehlgeburt um eine Krankheit, für die von der Krankenkasse im Rahmen der Krankenbehandlung (§§ 27 ff.) Leistungen zu erbringen sind.
2.1 Stationäre Entbindung
2.1.1 Überblick
Rz. 6
Nach § 24f Abs. 1 Satz 1 und 3 hat eine Versicherte zulasten ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf Entbindung in stationärer Form. Knapp 90 % der Frauen nehmen für die Geburt Ihres Kindes diese Form in Anspruch.
Charakteristisch für ein...