Rz. 290
Mit Wirkung zum 1.4.2007 ist mit der Einfügung der Nr. 13 in Abs. 1 die generelle Krankenversicherungspflicht für Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall eingeführt worden (Art. 1 Nr. 2 GKV-WSG). (Zur Pflegeversicherungspflicht vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 12 SGB XI.) Zur Begründung dieser erheblichen Ausweitung des in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogenen Personenkreises ist in BT-Drs. 16/3100 S. 94/95 u. a. ausgeführt: "Die Regelung begründet eine Versicherungspflicht für Personen, die keinen Anspruch auf eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall haben und die zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen sind. Des Weiteren wird eine Versicherungspflicht für Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall begründet, die bisher nicht in Deutschland gesetzlich oder privat krankenversichert waren und dem Grunde nach der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind. Hierdurch wird für diesen Personenkreis das politische Ziel der Koalitionsfraktionen umgesetzt, dass in Deutschland niemand ohne Schutz im Krankheitsfall sein soll. Deutschland hat im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern keine Einwohnerversicherung. Vielmehr wird der Schutz im Krankheitsfall in einem pluralistisch gegliederten System gewährt, dessen wesentliche Träger die gesetzliche und die private Krankenversicherung sind. Aufgrund des Fehlens einer umfassenden Versicherungspflicht für alle Einwohner ist nicht ausgeschlossen, dass Personen weder die Zugangsvoraussetzungen zur gesetzlichen Krankenversicherung erfüllen, noch die Möglichkeit haben, eine private Krankenversicherung abzuschließen, beziehungsweise den Versicherungsschutz in ihrem bisherigen System – etwa durch die Nichtzahlung der Beiträge oder Prämien – verloren haben. Sofern in diesen Fällen auch kein Anspruch auf eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besteht, müssen sie die im Krankheitsfall entstehenden Aufwendungen in voller Höhe aus ihrem Einkommen oder Vermögen selbst tragen. Aus diesem Grund werden diese Personen in die Versicherungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen, wenn sie zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder, sofern sie bisher nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sind, sie zu dem Personenkreis gehören, der nach der in den §§ 5 und 6 zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertentscheidung der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen ist."
Rz. 291
Die Versicherungspflicht erfasst nur Personen, die gemäß § 30 Abs. 3 SGB I (vgl. Komm. dort) ihren Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 3 Nr. 2 SGB IV). Für bestimmte Ausländer enthält der Abs. 11 Sonderregelungen.
2.2.16.1 Keine Absicherung im Krankheitsfall
Rz. 292
Die Versicherungspflicht knüpft entsprechend der Gesetzesbegründung daran an, dass es sich um Personen handeln muss, die aktuell über keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügen. Damit ist diese Versicherungspflicht nicht nur subsidiär gegenüber allen anderen Versicherungspflichten nach Abs. 1 Nr. 1 bis 12 sowie einer nach §§ 192, 193 erhaltenen Mitgliedschaft und der Rentenantragstellermitgliedschaft nach § 189, sondern auch gegenüber einer Familienversicherung oder einer freiwilligen Mitgliedschaft. Mit dieser Mitgliedschaft oder Familienversicherung sind jeweils zwingend auch die Leistungsansprüche für in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte verbunden (§ 11). Soweit in Abs. 8a Satz 1 die Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 13 ausdrücklich für nachrangig gegenüber einer Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung erklärt wird, wurde bei dieser Regelung ganz offenbar übersehen, dass es bereits tatbestandlich diesen Fall einer Versicherung nach Abs. 1 Nr. 13 neben einer freiwilligen oder sonstigen gesetzlichen Versicherung gar nicht geben kann, sodass es auch keiner Konkurrenzregelung bedurft hätte (so auch BSG, Urteil v. 6.10.2010, B 12 KR 25/09 R).
Rz. 293
Die Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 13 ist darüber hinaus auch ausgeschlossen, wenn zuletzt eine private Krankenversicherung bestanden hatte oder noch besteht. Eine zuletzt private Krankenversicherung ist auch dann anzunehmen, wenn ein privater Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen war, dieser aber später durch Anfechtung nach § 119 BGB nach § 142 BGB als nichtig anzusehen ist oder ein Rücktritt von diesem Vertrag erfolgt (vgl. LSG Sachsen, Beschluss v. 14.6.2012, L 1 KR 71/12 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.9.2014, L 16 KR 735/13 – bestätigt durch BSG, Urteil v. 29.06.2016, B 12 KR 23/14 R; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 13.2.2015, L 1 KR 2/15 B ER, wenn noch keine Leistungen aus dem Vertrag in Anspruch genommen wurden). Die private Krankenversicherung muss dabei jedenfalls den Mindestanforderungen nach § 193 Abs. 3 VVG genügen, also mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfassen und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichern...