Rz. 16
Abs. 4 Satz 1 und 2 regeln Ausnahmen von den vorstehenden Grundsätzen des Beginns von Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der JAEG bei Änderungen in der Höhe des Arbeitsentgeltes bei bestehender Krankenversicherungspflicht. Kommt es während eines laufenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu einem Überschreiten der JAEG, endet die Versicherungspflicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, und dies auch nur dann, wenn auch die JAEG des folgenden Kalenderjahres überschritten wird. Dies dient der Kontinuität des Krankenversicherungsschutzes, um möglichst ein unterjähriges Ausscheiden aus der Krankenversicherungspflicht und eine erneute Krankenversicherungspflicht wegen der Erhöhung der JAEG zum Beginn des folgenden Kalenderjahres zu vermeiden. Aufgrund der in Satz 2 normierten Rückausnahme von der grundsätzlich nach Satz 1 einsetzenden Versicherungsfreiheit ("Dies gilt nicht") mit doppelter Verneinung ("nicht übersteigt"), ist bei einer unsicheren Prognose des voraussichtlichen Jahresarbeitsentgelts von einem Überschreiten der JAEG und damit einer Versicherungsfreiheit auszugehen (so auch Peters, in: BeckOGK, Stand: 1.9.2018, SGB V, § 6 Rz. 23). Diese Regelung ist auch in den Fällen anzuwenden, wenn zu einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ein weiteres, für sich betrachtet versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hinzutritt. Wird erst durch die Zusammenrechnung der Entgelte beider oder sogar mehrerer Beschäftigungen die JAEG überschritten, endet die Versicherungspflicht erst zum Jahresende, wenn auch die JAEG des Folgejahres (die zumeist erst gegen Ende des Jahres feststeht) überschritten wird. Diese Folge der bis zum Jahresende fortbestehenden Krankenversicherungspflicht gilt auch in den Fällen einer wegen Wehrpflicht oder aus anderen Gründen erhalten gebliebenen Pflichtmitgliedschaft (vgl. §§ 192, 193), wenn die Wiederaufnahme der tatsächlichen Beschäftigung mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verbunden ist (BSG, Urteil v. 25.2.1997, 12 RK 51/96). Zum Ende der Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse in diesen Fällen galt bis 31.7.2013 die Sonderregelung in § 190 Abs. 3 und ab 1.8.2013 die Regelung in § 188 Abs. 4 über den Fortbestand der Mitgliedschaft als freiwillige Mitgliedschaft, soweit nicht unter Nachweis eines anderweitigen Krankenversicherungsschutzes der Austritt erklärt wird (vgl. Komm. zu § 188).
Rz. 17
Nach einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Urteil v. 20.3.2019, L 5 KR 799/18) soll § 6 Abs. 4 nicht anzuwenden sein, wenn ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis beendet wird und ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem über der JAEG liegenden regelmäßigen Arbeitsentgelt aufgenommen wird (so auch Vossen, in: Krauskopf, 121. EL Februar 2024, SGB V, § 6 Rz. 66; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, 5. Ergänzungslieferung 2024, § 6 Rz. 53). Für diese Auslegung spricht, dass für ein solches Beschäftigungsverhältnis von vornherein Versicherungsfreiheit besteht. Diese Auslegung überzeugt, denn es war der Wille des Gesetzgebers, eine Kontinuität bei der Einstufung eines Beschäftigungsverhältnisses als versicherungsfrei oder eine Pflichtversicherung begründend sicherzustellen. Dem liefe es zuwider, wenn das Beschäftigungsverhältnis zunächst noch bis Jahresende weiterhin eine Pflichtversicherung begründen könnte und erst sodann Versicherungsfreiheit eintreten würde. Der abweichenden Auffassung, dass Abs. 4 weit gefasst sei und nicht auf die Gründe abstelle, die zur Überschreitung der JAEG geführt hätten, sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V und, dass der Gesetzgeber, wenn er im Fall des Arbeitgeberwechsels und entsprechendem Anstieg des Arbeitsentgelts ein sofortiges Ende der Versicherungspflicht gewollt hätte, er dies wie im Fall der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung im Inland eindeutig hätte regeln können (so Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand: 21.12.2023, § 6 Rz. 31), ist daher nicht zu folgen.