Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 15
Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität bedeutet allerdings keinen Stillstand der medizinischen Leistungsfähigkeit der Gesundheitswirtschaft. Bei einer Zunahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, bei steigenden Löhnen und Gehältern, einer sich nach oben entwickelnden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung, bei Rentenerhöhungen sowie bei Erschließung neuer Beitragsquellen, wie z. B. Zusatzbeiträge, steigen die Beitragseinnahmen der Krankenkassen bzw. die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Der so gewonnene Finanzierungsspielraum steht zur Verfügung. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität bindet mithin die Entwicklung – i. d. R. den Zuwachs – in der Gesundheitswirtschaft an die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, Löhne und Gehälter in der allgemeinen Wirtschaft bzw. an die Einnahmeentwicklung in der Krankenversicherung. In Abs. 2 wird der den Vertragsparteien oder einem Schiedsamt/einer Schiedsstelle/einer Schiedsperson zustehende Verhandlungs-/Entscheidungsspielraum für eine Vergütungs- oder Preisveränderung durch die bundeseinheitliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. § 267 Abs. 1) begrenzt. Ein Schiedsamt/eine Schiedsstelle bzw. Schiedsperson wird ein ausnahmsweises Überschreiten der Veränderungsrate mit dem Argument, die Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung sei gefährdet, sehr gut begründen und mit Zahlen und Fakten belegen müssen. Bloße Behauptungen reichen nicht dafür aus, die Gefährdung der Sicherstellung der Versorgung zu belegen.
Rz. 16
Die Veränderungsrate stellt die Obergrenze dar, die bis auf die genannten Ausnahmefälle nicht überschritten werden darf. Eine Überschreitung wäre ein Rechtsverstoß, den spätestens die Aufsichtsbehörde zu beanstanden hätte. Obergrenze heißt andererseits, dass sie im Verhandlungswege unterschritten werden kann; die Obergrenze bietet mithin den jeweiligen Leistungserbringern keinen Rechtsanspruch auf einen Vertragsabschluss in dieser Höhe. Eine Überschreitung der Obergrenze wäre nach Abs. 2 Satz 2 allerdings dann zulässig, wenn die entstehenden Mehrausgaben durch Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden. Dies ist für die Vertragspartner jedoch kein Freibrief, weil sie die Einsparungen entweder bereits erreicht haben oder in konkret bezifferter Höhe vertraglich absichern müssen.