Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 21
Die seit 1993 bestehende Vorlagepflicht und Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde soll dazu dienen, die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in den Vergütungsverträgen abzusichern ( BT-Drs 11/2237, S. 191). Die gesetzliche Vorgabe, bestimmte Verträge und Vergütungsvereinbarungen der Aufsichtsbehörde vorzulegen, lässt die allgemeine staatliche Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen nach den §§ 87 ff. SGB IV unberührt, sodass bei Bedarf die Aufsichtsbehörde von einer Krankenkasse zu jeder Zeit die Vorlage eines Vertrages/einer Vereinbarung fordern und diese auf Vereinbarkeit mit Recht und Gesetz prüfen kann. Die Vorlagepflicht gilt für die Vertragsparteien, welche die in Abs. 4 genannten Verträge bzw. Vergütungsvereinbarungen ihren zuständigen Aufsichtsbehörden von sich aus unaufgefordert vorzulegen haben. Die dortige Aufzählung ist abschließend. Die Parteien können sich gegenseitig vertreten, so dass der Vertrag nur einmal eingereicht werden muss (BeckOK/Krasney SGB V § 71 Rz. 13). Der Vorlagepflicht ist nicht genügt, wenn die Aufsichtsbehörde irgendwie Kenntnis von einer Vergütungsvereinbarung erlangt (Wendtland, in: BeckOK Sozialrecht, SGB V, § 71 Rz. 23).
Von der Einführung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität am 1.1.1989 bis zum Inkrafttreten des GSG am 1.1.1993 gab es unterschiedliche Finanzentwicklungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, die am Ende auch in Beitragssatzerhöhungen mündeten. Vor diesem Hintergrund müssen mit Wirkung zum 1.1.1993 die von der Selbstverwaltung der Ärzte/Zahnärzte/Psychotherapeuten mit der Krankenversicherung ausgehandelten Verträge bzw. mussten bis zum 12.8.2013 auch die Vereinbarungen im Heil- bzw. Hilfsmittelbereich (vgl. §§ 126, 127) den zuständigen Aufsichtsbehörden vorgelegt werden. Die Vorlagepflicht für Vereinbarungen im Heil- und Hilfsmittelbereich ist aber mit Wirkung zum 13.8.2013 aus verwaltungsökonomischen Gründen wieder abgeschafft worden.
Die Formulierung "sind vorzulegen" in Abs. 4 Satz 1 lässt den Vertragsparteien keinen Spielraum; sobald die auf der Bundesebene zu regelnde Vergütungsvereinbarung für die Regelversorgung mit Zahnersatz (§ 57 Abs. 1), die auf Landesebene zu schließenden Vereinbarungen über Höchstpreise für zahntechnische Leistungen (§ 57 Abs. 2), die Gesamtverträge über die vertragsärztliche bzw. vertragszahnärztliche Versorgung (§ 83) sowie die Vergütungsvereinbarungen für die vertragsärztliche Versorgung und die Vergütungsvereinbarungen für die vertragszahnärztliche Versorgung (§ 85) auf Landes- oder Bundesebene abgeschlossen sind, hat die Vorlage bei den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden unverzüglich zu erfolgen. "Unverzüglich" steht zwar nicht im Gesetzestext, ergibt sich aber daraus, dass einerseits nach Abs. 4 Satz 2 der Aufsichtsbehörde nur eine relativ kurze Beanstandungsfrist von 2 Monaten nach Vorlage des Vertrages/der Vereinbarung zugebilligt ist und andererseits die Vertragspartner selbst ein Interesse daran haben, dass ihr Vertrag/ihre Vereinbarung vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gegenüber den betroffenen Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten oder Zahntechnikern rechtssicher angewendet werden kann, ohne dass es zu einer aufsichtsrechtlichen Beanstandung kommt. Die Vorlagepflicht bei der/den zuständigen Aufsichtsbehörde(n) bedeutet, dass sich der Staat in grundsätzlich freies Vertragsgeschehen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern einmischt, um einerseits dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität Geltung zu verschaffen und andererseits die Sicherstellung der vertragsärztlichen/vertragszahnärztlichen Versorgung einschließlich der Regelversorgung mit Zahnersatz im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit Mitteln der Aufsicht zu überwachen. Die Einschaltung der Aufsicht ist daher auch Folge der Verantwortung des Staates für die Gewährleistung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung, die in der weitaus überwiegenden Mehrzahl gesetzlich krankenversichert ist.
Die Vorlagepflicht ist nicht auf den ersten Vertrag oder die erste Vergütungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien beschränkt, sondern entsteht jeweils neu, wenn diese Verträge/Vereinbarungen hinsichtlich ihrer Laufzeit verlängert und/oder die Vergütungen angepasst werden; damit werden rechtlich gesehen neue Verträge über die Versorgung mit Zahnersatz bzw. ein neuer Gesamtvertrag oder eine neue Vergütungsvereinbarung geschlossen, die deshalb erneut den Aufsichtsbehörden vorzulegen sind. Die Aufsichtsbehörden prüfen z. B. in einem solchen Fall, ob bei der Steigerung der Vergütung die Veränderungsrate nach Abs. 3 in Relation zu den anderen Vergütungskriterien angemessen berücksichtigt worden ist.
Die obligatorische Vorlagepflicht für Preisvereinbarungen im Heilmittelbereich (§ 125 Abs. 2) und im Hilfsmittelbereich (§ 127 Abs. 1 oder 2) ist mit Wirkung zum 13.8.2013 abgeschafft worden. Die Streichung in Abs. 4 Satz 1 geht auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit des Bundestages ...