Rz. 19
Anhand der in § 14 Abs. 2 benannten Kriterien ist der in der Legaldefinition nach Abs. 1 verwendete Begriff der "gesundheitlichen Beeinträchtigungen" zu konkretisieren und – im Bedarfsfall – der Schweregrad einer Beeinträchtigung zu bestimmen. Hierzu werden in Abs. 2 einzelne alltägliche Aktivitäten und Fähigkeiten (z. B. Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition), bestimmte Verhaltensweisen sowie Krankheitssymptome (z. B. nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten) benannt, anhand derer der Schweregrad der jeweiligen Beeinträchtigung der Selbständigkeit bzw. der – verbliebenen – Fähigkeiten (unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 15) zu ermitteln ist. Diese Kriterien sind wiederum aufgeteilt in 6 Pflegebereiche, die alltägliche Bedürfnisse und Anforderungen abbilden (Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, Abs. 2 Nr. 1 bis 6). Da die Bestimmung des Pflegegrades einheitlich "aus einer Gesamtschau aller zu berücksichtigen Bereiche und Kriterien" und nur nach den in den §§ 14 und 15 genannten Aspekten vorgenommen werden soll, sind die Pflegebereiche und -kriterien enumerativ aufgeführt und abschließend gefasst (BT-Drs. 18/5926 S. 109 f.). Die Berücksichtigung anderweitiger Kriterien im Rahmen einer medizinischen Begutachtung und – späteren – Bewertung ist somit von vornherein unzulässig.
Rz. 20
Bei den aufgeführten Pflegekriterien handelt es sich indes gleichermaßen um ausfüllungsbedürftige Begrifflichkeiten, die einer näheren Bestimmung bedürfen. Um das beabsichtigte Ziel, einheitliche Bewertungskriterien zu entwickeln, erreichen zu können, ist es folglich auch insoweit unerlässlich, allgemeingültige Maßstäbe und verbindlich zu berücksichtigende Definitionen zu statuieren. Diese Aufgabe obliegt gemäß § 17 dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen, der, unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, die einzelnen Kriterien im Rahmen der Begutachtungs-Richtlinien pflegefachlich konkretisiert (aktueller Stand v. 15.4.2016, geändert durch Beschluss v. 31.3.2017, https://www.pflegebegutachtung.de/experten/begutachtungs-richtlinien-gueltig-ab-01012017.html, zuletzt aufgerufen am 22.7.2018). Abgesehen von den Kriterien, die zu Pflegebereich 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) aufgenommen wurden, handelt es sich daher ebenfalls stets um abschließende Definitionen (vgl. auch Begutachtungs-Richtlinien S. 39). Erstgenannte Kriterien werden hingegen nicht abschließend definiert, sondern lediglich beispielhaft erläutert. Grund hierfür ist, dass sich manche Verhaltensweisen nicht eindeutig nur einem Kriterium zuordnen lassen (Begutachtungs-Richtlinien S. 49).
Rz. 21
Darüber hinaus wird in den Richtlinien näher erläutert, wie die Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten zu beurteilen sind. Hinsichtlich der Beurteilung des Grades der Selbständigkeit wird dabei von der Grundannahme ausgegangen, dass eine Person selbständig ist, die eine Handlung bzw. Aktivität alleine, d. h. ohne Unterstützung durch andere Personen oder unter Nutzung von Hilfsmitteln, durchführen kann (Begutachtungs-Richtlinien S. 36). Im Falle einer Beeinträchtigung der Selbständigkeit ist weiter zu differenzieren, ob die maßgebliche Handlung überwiegend selbständig, überwiegend unselbständig oder unselbständig vorgenommen werden kann. Die Beurteilung im Pflegebereich 2 (4.9.2 – F 4.2: "Kognitive und kommunikative Fähigkeiten") bezieht sich ausweislich der Begutachtungs-Richtlinien darauf, ob die jeweilige Fähigkeit hierfür vorhanden bzw. nicht vorhanden ist. Parallel zu der Differenzierung bei der Begutachtung der Selbständigkeit ist auch hier eine entsprechende Kategorisierung vorzunehmen. Zu ermitteln ist, ob die fragliche Fähigkeit vorhanden bzw. unbeeinträchtigt, ob sie größtenteils vorhanden, in geringem Maße vorhanden oder gänzlich nicht (mehr) vorhanden ist. Im Pflegebereich 3 (4.9.3 – F 4.3: "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen") bezieht sich die Beurteilung auf die Häufigkeit von Ereignissen mit personellem Unterstützungsbedarf und im Pflegebereich 5 (4.9.5 – F 4.5: "Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen") auf die Häufigkeit des personellen Unterstützungsbedarfs (vgl. Begutachtungs-Richtlinien S. 36 f.).
Rz. 22
Zu beachten ist, dass – abweichend von der bisherigen Rechtslage – die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit bzw. der Fähigkeiten personenbezogen und vor allem unabhängig von der jeweiligen Wohnsituation und dem jeweiligen Umfeld zu ermitteln sind (BT-Drs. 18/5926 S. 109). Zu hinterfragen ist also z. B. nicht etwa, ob die zu begutachtende Person die Treppen in ihrem Wohnumfeld – ggf. unte...