Rz. 168
Ähnlich wie der Krankheitsbegriff der Krankenversicherung ist auch der Begriff der Pflegebedürftigkeit als Tatbestand sowie dessen Auslegung durch die Rechtsprechung geprägt. Überdies ist in Abs. 1 klargestellt, dass Pflegebedürftigkeit infolge körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit mit einhergehendem Hilfebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens Leistungen nach §§ 28 ff. auslöst.
Rz. 169
Nach § 14 steht im Mittelpunkt der Definition des Begriffs Pflegebedürftigkeit die Hilflosigkeit des Pflegebedürftigen für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens. Neben dem Kreis der Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen werden auch die erheblich Pflegebedürftigen in den Kreis der leistungsberechtigten Personen einbezogen. Die Hilflosigkeit muss nicht in sehr hohem Maße, sondern lediglich in erheblichem Maße bestehen.
Rz. 170
Die Einbeziehung der erheblich pflegebedürftigen Personen entspricht dem Zweck des Gesetzes, wonach die Pflegeversicherung eine möglichst breite Absicherung des Lebensrisikos Pflegebedürftigkeit bieten soll, wobei der Pflegebedürftige die Hilfe der Solidargemeinschaft erwarten kann. Bei Einführung der Pflegeversicherung war beabsichtigt, dass diese lediglich einen ersten Schritt zur Abdeckung des Gesamtrisikos darstellen sollte. Indes war an eine grenzenlose Ausdehnung des zu schützenden Personenkreises nicht gedacht. Geringfügige, gelegentliche oder nur kurzfristige Hilfeleistungen sollen nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen und von ihr finanziert werden. Dafür kann und soll der einzelne nach dem Grundsatz der Subsidiarität nicht die Hilfe der Solidargemeinschaft beanspruchen können, sondern, nach dem Willen des Gesetzes, selbst einstehen.
Rz. 171
Die soziale und private Pflegeversicherung gewährt ihren Versicherten nur dann Leistungen, wenn Pflegebedürftigkeit vorliegt. Für die Feststellung des Versicherungsfalls und die Zuordnung des Pflegebedürftigen zu sog. Pflegestufen (§ 15) ist unter anderem der Begriff der gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, für die der Versicherte Hilfe benötigt, wesentlich (§ 14 Abs. 4). Das Gesetz nennt abschließend die Verrichtungen, die im Leistungsrecht bei der Unterstützung Pflegebedürftiger berücksichtigt werden. Diese Verrichtungen betreffen einzeln aufgezählte Vorgänge aus den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung (vgl. Rz. 20 ff.). Darüber hinausgehende Betreuungsleistungen sind für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht maßgebend.
Sonderregelungen finden sich insoweit in §§ 45a bis c, welche Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf vorsehen sowie in der Übergangsregelung des § 123, wonach Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz verbesserte Pflegeleistungen zustehen.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, dass die für Leistungen der sozialen und privaten Pflegeversicherung erforderliche Feststellung der Pflegebedürftigkeit anhand bestimmter gesetzlich abschließend genannter Verrichtungen erfolgt (BVerfG, Beschluss v. 22.5.2003, 1 BvR 452/99; 1 BvR 1077/00, ZFSH/SGB 2003 S. 415 = NJW 2003 S. 3044).