Rz. 27
Eine Anhebung des Höchstbetrags von 1.612,00 EUR auf 1.995,00 EUR lässt der Gesetzgeber in Abs. 3 in besonderen Ausnahmefällen, zur Vermeidung von Härten, für Pflegebedürftige der Pflegestufe III zu. Allerdings wird der Anspruch davon abhängig gemacht, dass ein außergewöhnlich hoher und intensiver Pflegeaufwand erforderlich ist, der das übliche Maß der Pflegestufe III weit übersteigt. In der Vorschrift sind beispielhaft benannt die Apalliker und die Krebskranken im Endstadium sowie Pflegebedürftige mit schwerer Demenz. Abs. 3 Satz 1 stellt eine Ermessensvorschrift dar. Die Aufwendungen können bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale übernommen werden. Obendrein darf dies nach Abs. 3 Satz 2 nur für höchstens 5 % aller versicherten Pflegebedürftigen der Stufe III, die stationäre Pflegeleistungen erhalten, geschehen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen hat nach Maßgabe von Abs. 3 Satz 3 hierüber zu wachen.
Rz. 28
Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 erlässt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen als Nachfolger der Spitzenverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen Richtlinien zur Anwendung der Härtefallregelungen.
Aktuell in Kraft sind noch die "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Anwendung der Härtefallregelungen" v. 10.7.1995, geändert durch Beschlüsse v. 19.10.1995, v. 3.7.1996 und v. 28.10.2005 sowie Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit (BMG) v. 27.11.2014.
Ziffer 4 dieser Richtlinien besagt, dass der Pflegeaufwand durch die Art, die Dauer und den Rhythmus der erforderlichen Pflegemaßnahmen bestimmt wird. Insgesamt übersteigen die täglich durchzuführenden Pflegemaßnahmen das übliche Maß der Grundversorgung dann in weitem Maße, wenn Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens sechs Stunden täglich, davon mindestens dreimal in der Nacht, erforderlich ist. Die auf Dauer bestehende medizinische Behandlungspflege ist dabei zu berücksichtigen.
Ein Übersteigen der Grundversorgung in weitem Maße ist auch dann als gegeben anzusehen, wenn die Grundpflege für den Pflegebedürftigen auch des Nachts nur von mehreren Pflegekräften gemeinsam (zeitgleich) erbracht werden kann. Das zeitgleiche Erbringen der Grundpflege des Nachts durch mehrere Pflegekräfte erfordert, dass wenigstens bei einer Verrichtung tagsüber und des Nachts neben einer professionellen Pflegekraft mindestens eine weitere Pflegeperson, die nicht bei einem Pflegedienst beschäftigt sein muss, tätig werden muss.
Exemplarisch werden sodann die folgenden Krankheitsbilder genannt:
- Krebserkrankungen im Endstadium
- AIDS-Erkrankungen im Endstadium
- hohe Querschnittslähmung und Tetraplegie
- enzephalomyelitis disseminata im Endstadium
- Wachkoma
- schwere Ausprägung der Demenz
- schwere Fehlbildungssyndrome und Fehlbildungen im Säuglings- und Kleinkindalter
- schwerste neurologische Defektsyndrome nach Schädel-Hirn-Verletzungen
- Endstadium der Mukoviszidose.
Diese Aufzählung muss überraschen, wie bereits die exemplarische Aufführung der betreffenden Krankheitsbilder im Gesetzestext verwundert. Mit der Aufführung etwa der Endstadien der konsumierenden Erkrankungen Krebs und AIDS, der Mukoviszidose und der enzephalomyelitis disseminata wird der in der Bevölkerung oft vorherrschenden Erwartung Vorschub geleistet, die Pflegeeinstufung, sei es innerhalb der Stufen 0 bis III oder sei es in der Frage des Härtefalles, werde durch die Schwere eines Krankheitsbildes bestimmt und todgeweihte Menschen müssten notwendigerweise Leistungen der Pflegestufe III, zudem verbunden mit der Anerkennung als Härtefall, erhalten.
Die Erfahrung verbunden mit einem Blick in den Grundpflegekatalog des § 14 Abs. 4 lehrt jedoch anderes. Bei einem im Endstadium krebs- oder aidserkrankten Menschen sind bestimmte Verrichtungen regelmäßig überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt durchzuführen. Ein Duschen oder Baden entfällt. Das Waschen ist, damit es keine Qual darstellt, auf das hygienisch Unumgängliche zu beschränken. Ein aufwendiges Füttern wird durch die Gabe von Sondennahrung ersetzt. Aufstehen, Zu-Bett-Gehen, Gehen, Stehen und Treppensteigen sind ebenso wenig mehr möglich wie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Ein mehrfaches An- und Auskleiden ist im Interesse des Schwerstbetroffenen zu vermeiden.
Ähnlich unverständlich ist die Aufführung der schweren Fehlbildungssyndrome und Fehlbildungen im Säuglings- und Kleinkindalter. Auch hier wird die Erwartung von Eltern schwer erkrankter Kinder genährt, ungeachtet des § 15 Abs. 2 müsse die Schwere der Erkrankung ihres Kindes sich in der Pflegestufe bzw. der Anerkennung als Härtefall abbilden.
Rz. 28a
Voraussetzung für die Anerkennung eines Härtefalles ist zudem – so die Richtlinien in Ziffer 5 zutreffend –, dass stationär versorgte Schwerpflegebedürftige mit außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand zur Deckung ihres Pflegebedarfs zusätzliche Kosten aufzubringen haben (vgl.BSG, Urteil v. 10.4.2008, B 3 P 4/07 R, SGb 2008 S. 353; LSG Nor...