0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 1 des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) zum 1.1.1995 in Kraft getreten und seitdem unverändert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Verpflichtung der Pflegekassen zur Bildung und Verwendung einer Rücklage (vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 130 zu § 72) und konkretisiert damit die allgemeine Vorschrift des § 82 SGB IV, die vorsieht, dass die Versicherungsträger nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit, insbesondere für den Fall, dass Einnahme- und Ausgabeschwankungen durch Einsatz der Betriebsmittel nicht mehr ausgeglichen werden können, eine Rücklage bereitzuhalten haben. Die Rücklage bildet neben den Betriebsmitteln die Mittel zur Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 62).
Für die Krankenkassen findet sich eine ähnliche Vorschrift in § 261 SGB V.
Abs. 1 bestimmt den Zweck der Bildung der Rücklage durch die Pflegekassen. Abs. 2 regelt die Höhe der Rücklage als das Rücklagesoll. Die Abs. 3 und 4 enthalten Bestimmungen darüber, wann die Rücklagemittel den Betriebsmitteln (vgl. § 63) zuzuführen bzw. an den Ausgleichsfonds (vgl. § 65) zu überweisen sind und Abs. 5 regelt Näheres zur Anlage und Verwaltung durch die Pflegekasse.
2 Rechtspraxis
2.1 Zweck der Rücklage (Abs. 1)
Rz. 3
Abs. 1 sieht vor, dass die Pflegekasse zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit eine Rücklage zu bilden hat.
Die Regelung entspricht damit der in § 261 Abs. 1 SGB V (vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 130 zu § 72). Die Norm für die Krankenversicherung wiederum orientiert sich an der Vorgängervorschrift des § 365 RVO (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 228 zu § 270). Durch Ansammlung entsprechender Mittel sollte danach eine dauernde Liquidität der Krankenkasse gesichert werden (vgl. BT-Drs. 8/3126 S. 12). Diese Zweckbestimmung gilt auch in der Pflegeversicherung. Unter Sicherstellung der Leistungsfähigkeit ist zu verstehen, dass die durch die Betriebsmittel finanzierten gesetzlichen sowie durch die Satzung vorgesehenen Aufgaben (vgl. auch § 63 Abs. 1 Nr. 1) erbracht werden können, ohne dass die Liquidität der Pflegekasse gefährdet ist. Die Mittel aus der Rücklage sind bei Einnahme- und Ausgabeschwankungen den Betriebsmitteln zuzuführen (Näheres vgl. Abs. 3).
2.2 Rücklagesoll (Abs. 2)
Rz. 4
Abs. 2 bestimmt die Höhe des Rücklagesolls: Die Pflegekassen haben einheitlich eine Rücklage in Höhe von 50 vom Hundert des nach dem Haushaltsplan durchschnittlich auf den Monat entfallenden Betrages der Ausgaben zu bilden.
In der Pflegeversicherung wird die Höhe der zu bildenden Rücklage nicht wie in der Krankenversicherung der Selbstverwaltung überlassen. Während die Krankenkassen das Recht haben, durch Satzung im Rahmen eines Mindest- und Höchstrücklagesolls die Höhe der Rücklage individuell zu bestimmen (§ 261 Abs. 2 SGB V), ist es dagegen mit Rücksicht auf den in der sozialen Pflegeversicherung vorgesehenen bundesweiten Finanzausgleich (vgl. §§ 65 ff.) erforderlich, dass für alle Pflegekassen einheitliche Regelungen gelten (vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 130 zu § 72). Wäre die Höhe des Rücklagesolls nicht begrenzt, bestünde die Gefahr, dass die Pflegekassen die Höhe der Rücklage so ausgestalten, dass Zahlungen an den Ausgleichsfonds (§ 65 Abs. 1 Nr. 2) nicht zu erfolgen hätten. Dann wäre der Finanzausgleich unter den Pflegekassen gefährdet.
Rz. 5
Bemessungsgrundlage für das Rücklagesoll ist der Haushaltsplan, den der Versicherungsträger gemäß § 67 SGB IV für jedes Kalenderjahr aufstellt und der der Feststellung der Mittel dient, die zur Erfüllung der Aufgaben des Versicherungsträgers im Haushaltsjahr voraussichtlich erforderlich sind (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Im Falle der vorläufigen Haushaltsführung ist dieser für die Bestimmung zunächst maßgeblich. Nach Feststellung des Nachtragshaushalts ist eine Neuberechnung des Rücklagesolls erforderlich (vgl. Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen – handelnd durch den GKV-Spitzenverband – und dem Bundesamt für Soziale Sicherung zur Durchführung des Finanzausgleichs nach § 66 Abs. 1 Satz 4 und 5 in der aktuell gültigen Fassung v. 1.9.2020).
2.3 Zuführung von Mitteln aus der Rücklage (Abs. 3)
Rz. 6
Nach Abs. 3 hat die Pflegekasse Mittel aus der Rücklage den Betriebsmitteln zuzuführen, wenn Einnahme- und Ausgabeschwankungen innerhalb eines Haushaltsjahres nicht durch die Betriebsmittel ausgeglichen werden können.
Mit dieser Verpflichtung wird sichergestellt, dass eine Erstattung der Mehrausgaben im Rahmen des Finanzausgleichs i. S. d. § 67 Abs. 2 Satz 2 erst dann erfolgt, wenn die eigenen Mittel erschöpft sind (vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 130 zu § 72).
2.4 Übersteigen des Rücklagesolls (Abs. 4)
Rz. 7
Nach Abs. 4 Satz 1 ist bei einem Übersteigen des Rücklagesolls durch die Rücklage der übersteigende Betrag den Betriebsmitteln bis zu der in § 63 Abs. 2 genannten Höhe zuzuführen. Darüber hinaus sind nach Abs. 4 Satz 2 verbleibende Überschüsse bis zum 15. des Monats an den Ausgleichsfonds (§ 65) zu überweisen.
Damit ist vorrangig die Auffüllung des Betriebsmittelsolls bis zur gesetzlichen Höhe geregelt. Erst wenn auch diese voll aufgefül...