Rz. 35
Mit Abs. 5 wird die in den Gesetzesbegründungen zu § 85 geforderte zügige Durchführung des Pflegesatzverfahrens nochmals konkretisiert.
Rz. 36
Danach sind die Pflegesatzverhandlungen aufzunehmen, wenn dazu aufgefordert wurde. Zur Aufforderung berechtigt ist jede Vertragspartei. Die Aufforderung bedarf der Schriftform, sie ist ansonsten an keine äußere (inhaltliche) Form gebunden.
Es handelt sich um eine empfangsbedürftige Erklärung, die gegenüber allen Vertragsparteien abzugeben ist. Die Frist hierfür beträgt 6 Wochen. Sie beginnt mit dem Tag des Zugangs der Aufforderung zur Aufnahme der Pflegesatzverhandlungen beim Empfänger.
Innerhalb der in der Vorschrift vorgegebenen 6-Wochen-Frist ist nicht nur mit den Pflegesatzverhandlungen zu beginnen, sie sind vielmehr innerhalb der Frist mit Abschluss der Pflegesatzvereinbarung zu beenden (Ausnahmeregelungen hiervon bleiben unberührt). Dies zwingt beide Vertragsparteien, das Pflegesatzverfahren zu straffen und möglichst im Vorfeld der Verhandlungen wesentliche Fragen zu klären. Eine gesetzliche Regelung, wie die des § 17 Abs. 6 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) für den Krankenhaussektor, wonach die Vertragsparteien verpflichtet werden, wesentliche Fragen zur Kosten- und Leistungsstruktur des Krankenhauses so frühzeitig gemeinsam vorzuklären, dass die Pflegesatzverhandlung zügig durchgeführt werden kann, gibt es im Pflegesatzrecht des SGB XI nicht. Dieser Mangel kann aber u.a. auf dem Verordnungsweg (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) beseitigt werden.
Rz. 37
Zur Begründung dieser unverzüglichen und kurzfristigen Pflegesatzfindung - die Verhandlungen sollen so rechtzeitig abgeschlossen sein, dass die neuen Pflegesätze mit Ablauf des laufenden Pflegesatzzeitraums in Kraft treten können – dient der Gesetzeswille, die Prospektivität der Pflegesätze sowie die Aktualität der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit des Pflegeheims zu gewährleisten.
Rz. 38
Ist die Frist von 6 Wochen verstrichen, ohne dass eine Pflegesatzvereinbarung zustandegekommen ist, so setzt auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle nach § 76 die Pflegesätze unverzüglich fest. Alternativ hierzu können die Parteien der Pflegesatzvereinbarung nach § 76 Abs. 6 S. 1 gemeinsam eine unabhängige Schiedsperson bestimmen.
Rz. 39
Die Schiedsstelle hat unverzüglich zu entscheiden – also unnötige zeitliche Verzögerungen zu vermeiden -, um den prospektiven Charakter der Pflegesätze nach dieser Vorschrift auch im Konfliktfall zu sichern.
Abs. 5 ist durch das 1. SGB XI-ÄndG modifiziert worden. Mit Abs. 5 Satz 2 ist den Sozialhilfeträgern angesichts ihrer nach wie vor umfänglichen Mitfinanzierung stationärer Pflege ein besonderes Widerspruchs- und Verfahrensrecht hinsichtlich des Tätigwerdens der Schiedsstelle eingeräumt worden. Macht der Sozialhilfeträger von diesem Widerspruchsrecht innerhalb von 2 Wochen Gebrauch, tritt auch hier die Rechtsfolge des Abs. 1 Satz 1 ein.
Für die Entscheidung der Schiedsstelle ist zwar keine förmliche Frist vorgegeben; durch die Formulierung "unverzüglich" soll aber deutlich gemacht werden, dass die Entscheidung keine schuldhafte Verzögerung duldet.
Weitere Verfahrensregelungen sind der Vorschrift nicht zu entnehmen. Sie sind nach § 76 Abs. 5 einer Rechtsverordnung vorbehalten, zu deren Erlass die Landesregierungen ermächtigt sind.
Wenn von der Verordnungsermächtigung kein Gebrauch gemacht wird, finden die Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts entsprechende Anwendung.
Rz. 40
Die Schiedsstelle hat die für die Höhe einer leistungsgerechten Vergütung maßgeblichen Faktoren zu ermitteln und die prospektiven Selbstkosten des Pflegeheims anhand der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zu bewerten. Auf dieser Grundlage ist eine leistungsrechtliche Vergütung zu ermitteln (LSG Hessen, Urteil v. 26.1.2006, L 8/14 P 18/04, Sozialrecht aktuell 2006 S. 216).
Gegen die Festsetzung des Pflegesatzes durch die Schiedsstelle öffnet Abs. 5 Satz 3 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten ohne Vorverfahren. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Eingeschränkt ist demgegenüber die Rechtsschutzmöglichkeit nach § 76 Abs. 6 Satz 3 in den Fällen, in denen sich die Vertragsparteien auf eine unabhängige Schiedsperson geeinigt haben.
Für die Festsetzung einzelner Parameter zur Berechnung der Pflegevergütung durch die Schiedsstelle gibt es keine Rechtsgrundlage. Ist der Schiedsspruch nicht ermessensfehlerfrei zustandegekommen, so ist dessen Teilaufhebung ausgeschlossen, weil die leistungsgerechte Vergütung des Pflegeheims nur im Rahmen einer Gesamtabwägung aller insoweit maßgebenden Umstände getroffen werden kann (LSG Hessen, a. a.O.).
Rz. 41
Der Wegfall des Vorverfahrens dient der Verfahrungsbeschleunigung. Mit der Regelung, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, wird im Interesse der Pflegeeinrichtung sichergestellt, dass während des erfahrungsgemäß langandauernden Rechtsstreits zumindest der zuletzt genehmigte Pflegesatz gezahlt werden kann.