2.1 Zugelassene Pflegeeinrichtungen ohne vertragliche Vergütungsregelung
Rz. 2
Voraussetzung hierfür ist, dass ein Versorgungsvertrag i.S.d. § 72 vorhanden ist, der die Pflegeeinrichtung als "zugelassen" ausweist. Wenn solche zugelassenen Pflegeeinrichtungen
- bewusst auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit den Pflegekassen verzichten oder
- den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung in Verhandlungen mit den Pflegekassen nicht zustande gebracht haben,
steht die Möglichkeit der freien Preisvereinbarung mit dem Pflegebedürftigen zur Verfügung. Die Regelung war im Gesetzgebungsverfahren nicht ganz unumstritten. Kritische Anmerkungen gingen dahin, auf die Gefahr hinzuweisen, dass die Kostenerstattungsregelung möglicherweise die Bemühungen um einen zielgerichteten qualitativen Ausbau der Infrastruktur, besonders im stationären Bereich, konterkariert. So könnte befürchtet werden, dass mit der Kostenerstattung ein durch Renditeerwartungen gesteuerter Ausbau der stationären Versorgung möglich wird. In Verbindung mit aggressiver Werbung solcher privater Investoren, kann eine Demotivierung des familiären Pflegenetzes nicht ausgeschlossen werden.
Rz. 3
Andererseits wollte der Gesetzgeber, gerade zu Beginn der sozialen Pflegeversicherung, nicht auf etablierte Pflegeeinrichtungen verzichten. Zwar müssen sich alle Pflegeeinrichtungen im Rahmen des PflegeVG dem "Zulassungsverfahren" unterwerfen, jedoch können sie nicht zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung gezwungen werden. Umgekehrt steht es auch den Pflegekassen zu, den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zu verweigern, etwa wenn die Preisforderung einer Pflegeeinrichtung in einem so unangemessenen Verhältnis zu den angebotenen Leistungen steht, dass ein Vertragsabschluss für die Pflegekassen unzumutbar ist.
Hiergegen vorläufigen Rechtsschutz anzustreben, ist für die Pflegeeinrichtung ein schwieriges Unterfangen. Schwere, unzumutbare und anders nicht abwendbare Nachteile, die den Erlass einer einstweilige Anordnung rechtfertigen würden, dürften regelmäßig nicht vorliegen, denn die zugelassene Einrichtung ist nach § 91 Abs. 1 berechtigt, den Preis für die Leistungen unmittelbar mit dem Pflegebedürftigen zu vereinbaren (vgl. LSG Brandenburg, Beschluss v. 19.6.1998, L 4 B 14/98 P ER, RzP § 85 Abs. 4 Nr. 1).
Im Rahmen der Wahlfreiheit steht es Pflegebedürftigen frei, solche Pflegeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Die Vereinbarung über den Preis (Höhe, Zahlungsweise, Zahlungsziele, Vorschüsse usw.) ist vor der Leistungsgewährung schriftlich abzuschließen.
2.2 Eingeschränkte Kostenerstattung
Rz. 4
Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Kostenerstattung ist zunächst beschränkt auf den Anteil der pflegebedingten Aufwendungen. Dieser Anteil deckt sich mit den durch Pflegesätze finanzierten Pflegeleistungen nach § 84.
Rz. 5
Darüber hinaus richtet sich die Erstattung nach der Höhe des individuellen Leistungsanspruchs des Pflegebedürftigen nach dem Dritten Abschnitt des Vierten Kapitels. Sie darf jedoch 80 % der leistungsrechtlichen Obergrenzen nicht überschreiten.
Beispiel 1:
• |
ambulante Pflege gemäß § 36 |
|
• |
Preis der Pflegeeinrichtung für "Pflege" |
1.150,00 EUR mtl. |
• |
leistungsrechtliche Obergrenze (hier: Pflegestufe II) |
1.040,00 EUR mtl. |
= |
Kostenerstattung 80 % von 1.040,00 EUR |
832,00 EUR mtl. |
Beispiel 2:
• |
stationäre Pflege gemäß § 43 |
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• |
Preis des Pflegeheimes für "Pflege" |
1.750,00 EUR mtl. |
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(= 80 % von 75 % des Heimentgelts) |
|
• |
leistungsrechtliche Obergrenze (Pauschbetrag) |
1.510,00 EUR mtl. |
|
(hier: Pflegestufe III) |
|
= |
Kostenerstattung 80 % von 1.510,00 EUR |
1.208,00 EUR mtl. |
Beispiel 3:
• |
ambulante Pflege gemäß § 36 |
|
• |
Preis der Pflegeeinrichtung für "Pflege" |
1.200,00 EUR mtl. |
• |
leistungsrechtliche Obergrenze (hier: Pflegestufe III) |
1.510,00 EUR mtl. |
= |
80 % von 1.510,00 EUR |
1.208,00 EUR mtl. |
|
aber |
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100 % des Rechnungsbetrages |
1.200,00 EUR mtl. |
= |
Kostenerstattung |
1.200,00 EUR mtl. |
Rz. 6
Damit ist die Kostenerstattung absolut beschränkt; das Gesetz verbietet auch eine darüber hinausgehende Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger (vgl. Abs. 2 Satz 3). Dies soll verhindern, dass "vertragslose" Einrichtungen mit Pflegebedürftigen Preisvereinbarungen zulasten der Sozialhilfe abschließen und dadurch das Vergütungssystem nach dem SGB XI unterlaufen.
Rz. 6a
Das LSG Niedersachsen schließt aus der Tatsache, dass die Kostenerstattungsnorm des § 91 nicht in Kapitel 4 Abschnitt 3 des Gesetzes, sondern im 8. Kapitel geregelt ist, das Verbot einer anteiligen Gewährung von Pflegegeld gemäß § 38 neben der Kostenerstattung nach § 91 (LSG Niedersachsen, Urteil v. 26.5.1998, L 3 P 60/97, Breithaupt 1998 S. 808).
2.3 Entsprechende Anwendung für privat Versicherte
Rz. 7
Mit Abs. 3 werden die vorstehenden Grundsätze der Kostenerstattung auch auf Pflegebedürftige übertragen, die nach Maßgabe dieses Buches bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichert sind.
Hiermit wird sichergestellt, dass dem privat versicherten Heimbewohner für die allgemeinen Pflegeleistungen keine höheren Pflegesätze in Rechnung gestellt werden dürfen, als dem sozialversicherten Heimbewohner (vgl. § 84 Abs. 3 und 4).
Die gleiche Regelung gilt aufgrund...