0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift hat durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung zum 1.4.2007 Eingang in das SGB XI gefunden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift erweitert die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber mit Schaffung der §§ 140a ff. SGB V durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 v. 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626) zur Förderung von Modellen integrierter Versorgung vorgesehen hat, auf den Bereich der sozialen Pflegeversicherung. Die Teilnahme an integrierter Versorgung ist für alle Beteiligten, also Leistungserbringer wie Patienten, freiwillig. Zum 30.6.2008 gab es nach Angabe der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen gebildeten Registrierungsstelle bundesweit 6.146 Verträge der integrierten Versorgung mit 4,4 Mio erfassten Versicherten.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Bei der integrierten Versorgung werden Patienten qualitätsgesichert und in sektoren- bzw. fachübergreifend vernetzten Strukturen versorgt. Der Patient erhält ein Produkt aus einer Hand, das indes Ergebnis von Kooperation und Wissensaustausch verschiedener Leistungserbringer ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind diese Leistungserbringer etwa Ärzte, Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen u.a.; für den Bereich der Pflegeversicherung kommen nach Abs. 1 Satz 1 die zugelassenen Pflegeeinrichtungen hinzu.
Integrierte Versorgung verfolgt das Ziel, durch enge Kooperation der Leistungserbringer und durch eine direkte Einbeziehung des Patienten durch optimierte Behandlungsabläufe, eine verbesserte Kapazitätsauslastung und verkürzte Behandlungszeiten eine patientenorientierte Versorgung herzustellen.
Rz. 4
§ 92b erlaubt nunmehr eine die Versicherungszweige Krankenversicherung und Pflegeversicherung übergreifende integrierte Versorgung. Mit der Vorschrift wird insbesondere auf die infolge des demographischen Wandels veränderte Krankheitsstruktur reagiert, die heute wesentlich von chronischen Erkrankungen, Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit gekennzeichnet ist. Die Krankenkassen und die Pflegekassen haben dabei im Rahmen ihrer Zuständigkeit jeweils ihre Leistung zu finanzieren. Unzulässig ist es etwa, in den Pflegevergütungen Aufwendungen zu berücksichtigen, die dem Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung anheim fallen.
Rz. 5
Durch Abs. 1 erhalten die Pflegekassen die Möglichkeit, selbst initiativ zu werden und alle in Betracht kommenden Vertragspartner für integrierte Versorgungsformen unter Beteiligung der Pflege zu gewinnen. Darüber hinaus können sie den bereits nach den §§ 140a ff. SGB V geschlossenen Verträgen beitreten, wenn die Vertragsparteien dem Beitritt und den für die Einbeziehung der Pflege notwendigen Anpassungen zustimmen.
Rz. 6
Nach Maßgabe von Abs. 2 dürfen die Pflegekassen innerhalb der dort – begrenzt – erteilten Ermächtigung vom geltenden Vertrags- und Vergütungsrecht der sozialen Pflegeversicherung abweichen. Im Rahmen der integrierten Versorgung wird die Vergütung der Pflegeeinrichtungen nicht mehr allein durch die Pflegesatzparteien, sondern auch durch die Parteien der integrierten Versorgungsverträge bestimmt. Mehraufwendungen, die den Pflegeeinrichtungen durch die integrierte Versorgung entstehen, werden verpflichtend über leistungsgerechte Zuschläge gesondert vereinbart und ausgewiesen.
Rz. 7
Durch Abs. 3 ist gewährleistet, dass jeder Pflegebedürftige von seiner Pflegekasse verlangen kann, umfassend über alle integrierten Versorgungsformen, an denen sich die Kasse beteiligt, informiert zu werden.
3 Literatur
Rz. 8
Ballast, Endlich Pflege in der integrierten Versorgung?, ErsK 2007 S. 307.
Böhme, Die Auswirkungen der Gesundheitsreform auf Pflegeeinrichtungen, PKR 2007 S. 2.
Böhme/Heuzeroth, Integrierte Versorgung für stationäre Pflegeeinrichtungen, PKR 2007 S. 63.
Kaempfe, Vertragswettbewerb zwischen Krankenkassen in der integrierten Versorgung, GSP 2007 Nr. 11/12 S. 39.
Lang, Eine neue Form der wohnortnahen Beratung und Versorgung, SozSich 2007 S. 330.