Dr. Thomas Becker-Evermann
2.1 Zulässigkeit der gemeinsamen Datennutzung
Rz. 2
Eine gemeinsame Datenerhebung (zum Begriff der Datenerhebung vgl. § 67 Abs. 5 SGB X) zu Zwecken der Errichtung eines gemeinsamen Datenpools sieht das Gesetz nicht vor. Eine gesetzliche Lücke wird man aber deshalb nicht annehmen können, da mit Rücksicht auf die Identität des betreuten Versichertenkreises und die weitgehende Deckungsgleichheit der von den Pflegekassen und den Krankenkassen zu ihrer jeweiligen Aufgabenerfüllung benötigten Angaben ein entsprechender Regelungsbedarf nicht zwingend besteht.
Rz. 3
Eine gemeinsame Datenverarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist trotz des weiten Wortlauts der Regelung nur zulässig, soweit die zur gemeinsamen Verarbeitung und Nutzung verbundenen Daten sowohl für die Pflegekassen als auch die Krankenkassen zur jeweiligen gesetzlichen Aufgabenerfüllung erforderlich sind (Krahmer, in: LPK-SGB XI, § 96 Rz. 6). Hieraus folgt, dass personenbezogene Daten, die wegen ihres besonderen Inhalts nur für gesetzliche Aufgaben einer der beteiligten Leistungsträger in Betracht kommen, für eine gemeinsame Verwendung in einem Datenpool ausscheiden. Zulässig ist die gemeinsame Datenverarbeitung und Nutzung nur im Hinblick auf personenbezogene Daten.
Die Weite des Wortlauts lässt es zudem zu, dass gemeinsame Datenverarbeitung und -nutzung auch Kranken- und Pflegekassen ermöglicht wird, die nicht miteinander verbunden sind (Krahmer, in: LPK-SGB XI, § 96 Rz. 5). In solchen Verhältnissen ist jedoch § 76 SGB X zu beachten. Dies folgt einerseits im Umkehrschluss aus Abs. 1 Satz 2 und ergibt sich zudem aus § 35 Abs. 2 SGB I, der auf die §§ 67ff. SGB X, mithin auch auf § 76 SGB X verweist (Krahmer, a. a. O., Rz. 6).
Rz. 4
Wie schon nach bisherigem Recht kommen vor dem Hintergrund des Erfordernisses der gesetzlichen Aufgabenerfüllung für eine gemeinsame Datenverwendung hiernach insbesondere in Betracht:
Rz. 5
Nach der gesetzlichen Aufgabenstellung bestimmt sich nicht nur die Berechtigung der Pflegekasse oder Krankenkasse zur jeweiligen Datenverwendung dem Grunde nach; ihr Inhalt bestimmt aufgrund des für alle Erlaubnistatbestände der Bestimmungen zum Sozialdatenschutz geltenden Erforderlichkeitsgrundsatzes im Einzelfall ebenso den Umfang der für eine zulässige Nutzung in Betracht kommenden personenbezogenen Daten.
Rz. 6
Abs. 1 Satz 2 erklärt die Vorschrift des § 76 SGB X im Verhältnis zwischen der Pflegekasse und der Krankenkasse, bei der sie errichtet ist (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1), für nicht anwendbar. Damit sind die betroffenen Leistungsträger im Rahmen des zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung notwendigen Datenaustausches von den in § 76 für die Übermittlung besonders schutzwürdiger Sozialdaten (medizinische Daten) gesetzlich festgeschriebenen Restriktionen befreit. Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich problematisch (vgl. Udsching, SGB XI, § 96 Rz. 3; Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 96 Rz. 9); denn die Regelung lässt die Begrenzung der Übermittlungsbefugnisse aus Praktikabilitätsgesichtspunkten nach dem Wortlaut vollkommen entfallen, was nur schwer mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar scheint. Daher wird die Anwendung des § 76 SGB X entgegen des Wortlauts gefordert (Krahmer, in: LPK-SGB XI, § 96 Rz. 7).
2.2 Pflichten gemäß § 286 SGB V
Rz. 8
Nach Abs. 2 gelten die den gesetzlichen Krankenkassen nach § 286 SGB V auferlegten Verpflichtungen für die Pflegekassen entsprechend. Demgemäß haben die Pflegekassen
- einmal jährlich eine Datenübersicht zu erstellen und der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen (§ 286 Abs. 1 SGB V).
- die zu erstellende Datenübersicht in geeigneter Weise zu veröffentlichen (§ 286 Abs. 2 SGB V) sowie
- Näheres zum Datenschutz und zur Datensicherheit in einer Dienstanweisung zu regeln (§ 286 Abs. 3 SGB V).
Rz. 9
Die in entsprechender Anwendung des § 286 Abs. 1 SGB V von den Pflegekassen zu erstellende (strukturelle) Datenübersicht zwingt die Pflegekassen zu einer regelmäßigen Bestandsaufnahme. Einzelheiten bezüglich der Daten werden dabei nicht erfasst, denn die Norm verlangt nur die Erfassung der Art der Daten. Daneben schafft die in § 286 Abs. 1 Satz 2 SGB V normierte Vorlagepflicht für die Aufsichtsbehörde in der Frage der zulässigen Speicherung von personenbezogenen Daten eine Kontrollmöglichkeit und erlaubt ihr ggf. ein aufsichtsrechtliches Einschreiten (zu dem für die Erstellung einer Datenübersicht nach § 286 Abs. 1 SGB V von den Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger herausgegebenen Muster vgl. Komm. zu § 286 SGB V).
Rz. 10
Die in Anlehnung an § 286 Abs. 2 SGB V vorgeschriebene Veröffentlichung der Datenübersicht dient der bess...