Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeldbeschluss bei Ausbleiben eines Zeugen. Begründungszwang. Beschluss in öffentlicher Sitzung. Erfordernis der Beteiligung der ehrenamtlichen Richter bei Nichtabhilfebeschluss

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden mit Beschluss die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Dies kann unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Bei nicht rechtzeitiger Entschuldigung unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung des Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft.

 

Normenkette

ZPO § 380 Abs. 1, § 381 Abs. 1; SGG § 118 Abs. 1 S. 1, § 142 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Meiningen (Beschluss vom 29.06.2005; Aktenzeichen S 12 RJ 456/02)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Juni 2005 aufgehoben und das Verfahren an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150,00 Euro im Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Juni 2005.

Im Hauptsacheverfahren war streitig, ob der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren ist.

Der Kammervorsitzende hat den Beschwerdeführer (Geschäftsführer der letzten Arbeitgeberin der Klägerin) mit Verfügung vom 25. Februar 2005 (insoweit unrichtig: 8. März 2005) zur Zeugenvernehmung in der öffentlichen Kammersitzung am 29. Juni 2005 geladen. Dieser hat mit Schreiben vom 9. März 2005 mitgeteilt, dass er bei Anwesenheit im Sitzungstermin keine über seine dem Gericht bereits schriftlich vorliegenden Unterlagen hinausgehende Angaben machen könne. Er bitte daher um Überprüfung der Ladung. Ausweislich seiner Verfügung vom 14. März 2005 hat der Kammervorsitzende an der Ladung festgehalten; dies sei dem Zeugen mitzuteilen.

In der öffentlichen Kammersitzung vom 29. Juni 2005 hat der Kammervorsitzende nach der Niederschrift festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde „vom 9.03.2005” geladen worden und unentschuldigt nicht erschienen sei. Die Kammer hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. April 2001 zu gewähren. Nach Verkündung des Urteils und Mitteilung der wesentlichen Gründe durch den Kammervorsitzenden hat die Kammer mit Beschluss vom gleichen Datum ein Ordnungsgeld von 150,00 EUR und ersatzweise drei Tage Ordnungshaft für den Fall der Nichtbeitreibung gegen den Beschwerdeführer verhängt und ihm die Kosten seines Ausbleibens auferlegt. Begründet ist der Beschluss nicht.

Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe auf seine schriftliche Anfrage vom 9. März 2005 keine Antwort seitens des Sozialgerichts erhalten und deshalb angenommen, dass sich sein persönliches Erscheinen erübrigt habe.

Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Juni 2005 aufzuheben.

Nach Eingang der Beschwerde hat der Kammervorsitzende unter dem 7. September 2005 (insoweit unrichtig: 8. September 2005) u.a. verfügt, der Beschwerdeführer habe nach Erhalt der Verfügung vom 14. März 2005 pflichtwidrig nicht nochmals nachgefragt, ob sein Erscheinen zum 29. Juni 2005 erforderlich gewesen sei. Nachdem der Beschwerdeführer mitgeteilt hat, dass er die Beschwerde aufrechterhalte, hat der Kammervorsitzende mit Beschluss vom 5. Oktober 2005 ohne ehrenamtliche Richter festgestellt, der Beschwerde werde nicht abgeholfen und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Prozessakte des Sozialgerichts Meiningen (Az.: S 12 RJ 456/02) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige und gemäß § 380 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde ist begründet.

Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Juni 2005 und der Nichtabhilfebeschluss vom 6. Oktober 2005 leiden an wesentlichen Verfahrensfehlern, so dass der Senat die Sache nach eigenem Ermessen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2005 – Az.: L 6 B 3/04 RJ m.w.N.) in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG,. § 572 Abs. 3 ZPO an das Sozialgericht zurückverweist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 9. April 1991 – Az.: L 4 Sb 25/91 in Breithaupt 1991, 879, 880, Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 176 Rdnr. 4).

Nach § 118 Abs. 1 Satz. 1 SGG werden in entsprechender Anwendung des § 380 Abs. 1 ZPO einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ohne dass es eines Antrags bedarf, mit Beschluss die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt (Satz 1); zugleich wird...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?