Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Vergütung eines medizinischen Sachverständigen. Schmerzgutachten. fachübergreifendes Gutachten. Zuordnung zur Honorargruppe M3 gem JVEG Anl 1. Voraussetzung
Leitsatz (amtlich)
Die Begutachtung chronischer nicht monokausal erklärbarer Schmerzen ist eine interdisziplinäre Aufgabe, die Kompetenz sowohl zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen erfordert. Dann sind zur Einschätzung der Diagnose, der Funktionsbeeinträchtigungen und der prognostischen Bewertung umfassende und vielschichtige differentialdiagnostische Erwägungen erforderlich. Bei einer fachgerechten Auseinandersetzung mit der relevanten Leitlinie ist ein Gutachten nach der Honorargruppe M3 anzunehmen.
Tenor
Die Vergütung für das Gutachten der Erinnerungsführerin vom 16. Juni 2008 wird auf 1.347,80 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Berufungsverfahren Renate N. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: L 6 R 47/08) beauftragte der Vorsitzende des erkennenden Senats die Erinnerungsführerin - Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärztin für Innere Medizin, Spezielle Schmerztherapie - mit Beweisanordnung vom 19. März 2008 mit der Erstellung eines Gutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung. Übersandt wurden ihr insgesamt 234 Blatt Akten (54 Blatt Verwaltungsakte, 45 Blatt Verwaltungsakte - Medizinische Beiakte, 135 Blatt Gerichtsakte) und 14 Röntgenaufnahmen. Diese fertigte unter dem 16. Juni 2008 ihr Gutachten aufgrund von zwei ambulanten Untersuchungen am 2. und 9. Mai 2008 auf insgesamt 25 Blatt (einschließlich Literaturliste). In ihrer Kostenrechnung machte sie insgesamt 1.347,80 Euro geltend (15 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 85,00 Euro, Schreibauslagen/Kopien 63,25 Euro, Porto 7,55 Euro, Foto 2,00 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 16 des Kostenhefts verwiesen. Zur Begründung der begehrten Honorargruppe M3 führte sie an, es habe sich um ein komplexes Schmerzgutachten gehandelt, das entsprechend den aktuellen Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen und zum Fibromyalgiesyndrom erstellt worden sei. Es handle sich um ein Zusammenhangsgutachten, das sich mit früheren, insbesondere orthopädischen Gutachten auseinander setze. Für die fachübergreifende Begutachtung (schmerzmedizinisch, psychosomatisch und internistisch) sei eine besondere Fachkompetenz erforderlich gewesen.
Mit Verfügung vom 25. Juni 2008 kürzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung auf 972,80 Euro. Er legte dabei einen Stundensatz nach der Honorargruppe M2 (60,00 Euro) zugrunde. Die beantragte Honorargruppe M3 komme nicht in Betracht, denn es habe sich nicht um ein Zusammenhangsgutachten gehandelt; eine Auseinandersetzung mit Vorgutachten gehöre regelmäßig zur Tätigkeit eines Sachverständigen.
Am 9. Juli 2008 hat die Erinnerungsführerin die richterliche Festsetzung beantragt, die Vergütung nach der Honorargruppe M3 begehrt und sich auf die Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Juli 2006 (Az.: L 12 R 2761/06 KO-B) und des Sozialgerichts Mannheim vom 23. März 2006 (Az.: S 8 R 922/06 KO-A) bezogen. Sie trägt vor, es habe sich bei dem erstellten Gutachten um ein komplexes Zusammenhangsgutachten und nicht nur um eine beschreibende Ist-Zustands-Begutachtung nach standardisiertem Schema gehandelt. Tatsächlich seien spezielle Kausalzusammenhänge unter Berücksichtigung differentialdiagnostischer Fragestellungen und Beachtung der aktuellen Leitlinien zur Begutachtung von chronischen Schmerzen berücksichtigt worden.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 16. Juni 2008 auf 1.347,80 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 16. Juni 2008 auf 972,80 Euro festzusetzen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 11. Juli 2008) und die Akten dem 6. Senat vorgelegt.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG -) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG).
Im vorliegenden Fall hat die Erinnerungsführerin am 9. Juli 2008 die Festsetzung beantragt. Die Vergütung wird antragsgemäß auf 1.347,80 Euro festgesetzt.
Bei der Erinnerung sind a...