Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Überprüfung der Billigkeit der Gebührenbestimmung des beigeordneten Rechtsanwalts durch den Urkundsbeamten

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist die Billigkeit der geforderten Gebühren bei der Festsetzung von Amts wegen von den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu prüfen. Dem steht nicht der Beschluss des BGH vom 20.12.2011 - V ZB 216/10 = ASR 2011, 211 entgegen, denn die Staatskasse ist dann nicht Dritter iS des § 14 Abs 1 S 4 RVG (vgl LSG Erfurt vom 21.1.2013 - L 6 SF 1578/12 B = NZS 2013, 359).

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 16. Oktober 2012 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für das Verfahren Az.: S 11 AS 722/10 auf 436,14 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meinigen (Az.: S 11 AS 722/10) streitig. Dort wandten sich die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen, gegen einen Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010 (Az.: W 410/10), in dem die Beklagte eine Aufrechnung in Höhe von 10,00 Euro monatlich vorgenommen hatte. Gegen einen weiteren Erstattungsbescheid vom 5. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid (W 412/10) über 148,11 Euro hatten sich die Kläger in dem Klageverfahren Az.: S 11 AS 715/10 gewandt. Mit Beschluss vom 12. August 2010 gewährte das Sozialgericht (SG) den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 13. August 2010 regte der Kammervorsitzende schriftlich folgenden Vergleich an:

1. Die Beklagte erklärt sich bereit, in dem Widerspruchsverfahren W 412/10 und W 410/10 jeweils die Hälfte der notwendigen Kosten zu erstatten.

2. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit die Verfahren S 23 715/10 und S 23 AS 722/10 erledigt sind.

3. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen Auslagen.

Am 26. August 2010 nahmen die Beteiligten den Vergleich an.

In der Kostenberechnung vom 10. September 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung von 573,85 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

 170,00 Euro

Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG

 102,00 Euro

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG

 190,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

  20,00 Euro

Summe 

 482,00 Euro

Umsatzsteuer

 91,85 Euro

Gesamtsumme

 573,85 Euro

Unter dem 23. September 2010 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 298,69 Euro. Zwar sei die beantragte Verfahrensmittelgebühr "bei Würdigung der nach § 14 RVG relevanten Kriterien" gerade noch angemessen. Tatsächlich handle es sich aber um zwei Verfahre, die in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Im Verfahren Az.: S 23 AS 715/10 sei die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr bereits festgesetzt worden. Erhebliche Synergieeffekte rechtfertigten im Zusammenhang mit der ("fast")Unterdurchschnittlichkeit ein Unterschreiten der Mittelgebühr auf die Hälfte (85,00 Euro). Gleiches gelte für die Einigungsgebühr.

Am 27. Oktober 2010 hat die Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, die Reduzierung der Gebühr sei nicht gerechtfertigt und entspreche nicht der gängigen Rechtsprechung. Hauptaufgabe sei die Abfassung einer den formellen und materiellen Anforderungen entsprechenden Klageschrift gewesen. Der Beschwerdegegner hat auf die Ausführungen der UKB Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 hat das Sozialgericht die zu gewährende Vergütung auf 298,69 Euro festgesetzt und zur Begründung in der Hauptsache auf die Ausführungen der UKB verwiesen.

Gegen den am 30. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 29. November 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis seinen Vortrag im Erinnerungsverfahren wiederholt. Nach der Rechtsprechung des Thüringer LSG (Beschluss vom 24.Februar 2012 - Az.: L 6 SF 466/12 B) liege eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei einem Teilanerkenntnis auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt den Rechtsstreit aufgrund des eigenen Ermessensspielraums ohne Rücksprache mit dem Mandanten erledigt erkläre.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Meinigen vom 16. Oktober 2012 aufzuheben und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 573,85 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Erinnerungsverfahren und den Beschluss des Sozialgerichts vom 16. Oktober 2012.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Januar 2013) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebührenist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az...

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