Entscheidungsstichwort (Thema)
Regress der Krankenkasse bei unwirtschaftlicher Abgabe von Arzneimitteln durch den Apotheker
Orientierungssatz
1. Die Berufung ist bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Diese ist gegeben, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse erforderlich ist. Ein Individualinteresse genügt nicht. Maßgebend ist nicht die richtige Einzelfallentscheidung.
2. Der nach § 129 SGB 5 zu schließende Rahmenvertrag regelt vorrangig die Beziehungen zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Apotheken. Sind die darin enthaltenen für den Apotheker maßgebenden Abgabebestimmungen erfüllt, so besteht der Vergütungsanspruch in Höhe des Rechnungsbetrags. Der Apotheker hat die Pflicht zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen. Die wirtschaftlichste Alternative ist von ihm einzuhalten. Dem Apotheker ist es infolgedessen untersagt, die vom Arzt verordnete Menge in regelmäßig teureren Einzelmengen abzugeben, wenn eine geeignete Packungsgröße zur Verfügung steht.
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17,62 EUR festgesetzt. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, gegen spätere Forderungen des Klägers aus Arzneimittellieferungen mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von zweimal 8,81EUR (insgesamt 17,62 EUR) aufzurechnen.
Der Kläger ist Inhaber der N. Apotheke in A., die er als Filialapotheke betreibt. Er belieferte die bei der Beklagten versicherte E. P. zweimal mit dem Arzneimittel Levopar, wobei er an diese jeweils zwei Packungen Levopar mit jeweils 100 Tabletten abgab. Dem zu Grunde lagen ärztliche Verordnungen des Dipl.-Med. J. vom 28. Juni und 20. November 2008 über " 2x Levopar 125MG Hartkapseln, KAP, 100 ST, N3, Hexal AG (1-1-1) (PZN: 189693)". Der Kläger stellte der Beklagten hierfür zweimal einen Betrag in Höhe von 55,40 EUR in Rechnung, den diese zunächst auszahlte. Im März 2009 und Juli 2009 beanstandete die Beklagte jeweils einen Betrag in Höhe von 8,81 EUR unter Hinweis auf eine unwirtschaftliche Abgabe (zum Beispiel Abgabe unwirtschaftlicher Packungsgrößen). Den Einspruch des Klägers wies sie zurück.
Am 5. März 2010 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit der Begründung, die Beklagte sei nicht berechtigt, die jeweils retaxierten 8,81 EUR gegen laufende Forderungen zu verrechnen. Aufgrund der ärztlichen Verordnungen seien wirksame Kaufverträge zwischen den Parteien über jeweils zwei Packungen des Arzneimittels mit der PZN 189693 zu Stande gekommen. Der daraus resultierende, richtig berechnete Kaufpreis sei beglichen worden. Nach § 17 Abs. 5 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) müssten die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Im vorliegenden Fall habe der Arzt jeweils eindeutig zweimal eine Packung mit 100 Stück verordnet. Soweit die Apotheken nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen "nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach Abs. 2 verpflichtet sind", widerspreche die Abgabe von zwei Packungen mit 100 Stück dem nicht, weil der Arzt die Einzelmengen mit 100 Stück zweifelsfrei festgelegt habe. Die therapiegerechte Packungsgröße werde immer noch durch den Arzt bestimmt, was durch § 6 Abs. 1 Satz 2 des seit dem 1. April 2008 geltenden Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V (im Folgenden: Rahmenvertrag) bestätigt werde.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, Grundlage der Beanstandung seien die Ausführungen in dem Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag Thüringen (ALV Thüringen). Der Vertrag ergänze den Rahmenvertrag nach § 129 SGB V. Die Verordnungen wiesen konkret die ärztlich angegebene Verordnungsmenge von 2 x 100 = 200 Stück Hartkapseln Levopar 125 mg® aus. Die vom Gesetzgeber in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V normierte Pflicht des Apothekers zur Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen sei auch auf die Belieferung der oben genannten Verordnungen anzuwenden, da hier eine Belieferung mit der im Handel befindlichen wirtschaftlicheren Packungsgröße mit 200 Tabletten hätte erfolgen müssen. Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass es sich bei der Packungsgröße 200 Stück Hartkapseln Levopar 125® um eine Bündelpackung zu je 2 * 100 Stück handelt. Dieser Umstand sei der Listung und Bezeichnung der so genannten "Lauer-Taxe" zu entnehmen. Insoweit habe dem ärztlichen Willen nach Belieferung mit 100 Stück-Packungen nachgekommen werden können. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 5 ApBetrO liege nicht vor, weil auch diese auf das gesetzlich normierte Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12, 70 SGB V) verweise.
Mit Urteil vom 26. Mai 2011 hat...