Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Bewertung der Statthaftigkeit der Berufung bei nicht beziffertem Sachantrag. Höhenstreit im SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Bei unbezifferten Leistungsanträgen im Höhenstreit ist der Wert der Beschwer für die Statthaftigkeit der Berufung anhand des wirtschaftlichen Interesses des Klägers am Ausgang des Rechtsstreits zu schätzen (§ 202 SGG iVm § 3 ZPO). Auszugehen ist im Zweifel bei verständiger Auslegung davon, dass sämtliche nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen geltend gemacht werden (für unbegründeten Widerspruch: BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R; für unbezifferte Klage im Höhenstreit: BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 47/12 R).
2. Lässt die vorbenannte Auslegung keine für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ausreichende Beschwer erkennen, ist ähnlich wie im Zivilprozess bei unbezifferten Klageanträgen insoweit von dem Rechtsmittelführer zur Bestimmung des Werts der Rechtsmittelbeschwer die Angabe zu verlangen, in welcher ungefähren Höhe er höhere Leistungen geltend macht. Die Angabe ist dann grundsätzlich als Mindestbetrag bei der Bestimmung des Wertes zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 12.2.2013 - L 4 AS 612/12 B; vgl auch zum Schmerzensgeldprozess in Zivilsachen: Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl, § 3 ZPO Rn 16, S 93 mwN).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. Oktober 2011 wird als unzulässig verworfen.
Kosten der Berufung sind auch nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in der Sache höheres Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 ohne Berücksichtigung des Mitbewohners als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin und dem mit dieser nach ihrer Auffassung in einer Einstandsgemeinschaft lebenden Mitbewohner mit Bescheid vom 25. Mai 2010 der Höhe nach vorläufig Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010. Der auf höheres Arbeitslosengeld II - Regelleistung für Alleinstehende und Mehrbedarf für Alleinerziehende - gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen ohne Erfolg (Änderungsbescheid des Beklagten vom 7. Juli 2010 und Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2010).
Das Sozialgericht Gotha (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 12. Oktober 2011 in der Sache abgewiesen, ohne die Berufung zuzulassen. Der Klägerin stünde kein höheres Arbeitslosengeld II zu. Weder sei bei der Bedürftigkeitsberechnung die Regelleistung für Alleinstehende noch ein Mehrbedarf für Alleinerziehende auf Bedarfsseite einzustellen.
Dagegen hat die Klägerin am 28. Dezember 2011 bei dem Thüringer Landessozialgericht ohne Sachantrag und Begründung Berufung eingelegt. In einem nachgereichten Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide abzuändern und den Beklagten zu höheren Leistungen für den Zeitraum 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu verurteilen. In der Begründung hat er ausdrücklich nur noch darauf abgestellt, der Klägerin stünde die Regelleistung für Alleinstehende zu, da sie mit dem Mitbewohner nicht in einer Einstandsgemeinschaft lebe.
Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht statthaft sein könne, weil das Begehren ausschließlich darauf gerichtet sei, monatlich eine Regelleistung in Höhe von 359 Euro statt bisher 323 Euro zu zahlen. Es bleibe vorbehalten, die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 158 SGG).
Die Klägerin hält eine Sachentscheidung des Senats für geboten. Die Berufungsschrift selber habe noch keine Beschränkung des Streitgegenstands erkennen lassen. Eine spätere Teilrücknahme der Berufung sei für die Bestimmung des Zulässigkeitsstreitwerts unschädlich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 30. November 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. Juli 2010 und in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 29. Juli 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Akten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat verwirft gemäß § 158 SGG die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter als unzulässig, weil sie ohne Zulassung nicht statthaft und nicht zugelassen ist.
Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG i.d.F. ab 1. April 2008 - SGG F. 2008 - bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hiera...