Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ausscheiden einer Aussetzung des Verfahrens bei Zweifeln bzw nicht bestehenden Zweifeln an der Prozessfähigkeit bis zur Bestellung eines Betreuers. Aussetzung des Verfahrens. Zweifel an der Prozessfähigkeit. Besonderer Vertreter. Bestellung eines Betreuers

 

Leitsatz (amtlich)

Eine entsprechende Anwendung des § 114 Abs 2 SGG kommt nur in eng begrenzten Fällen in Betracht (vgl BSG vom 1.4.1992 - 7 RAr 16/91 = SozR 3-1500 § 114 Nr 3 = Breith 1992, 790). Insofern scheidet die Aussetzung bei einer erwiesenen oder nicht klärbaren Prozessunfähigkeit bis zur Bestellung eines Betreuers aus (vgl LSG München vom 7.4.1999 - L 13 B 56/99 = NZS 1999, 416); dann muss ein besonderer Vertreter bestellt werden. Gleiches gilt, wenn nur Zweifel an der Prozessfähigkeit bestehen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestehen Zweifel an der Prozessfähigkeit eines Prozessbeteiligten, so muss bis zu der eventuellen Bestellung eines Betreuers ein besonderer Vertreter bestellt werden. Das Verfahren darf hingegen nicht entsprechend § 114 Abs. 2 SGG ausgesetzt werden.

 

Normenkette

SGG § 114 Abs. 2, § 72; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 7. Januar 2010 wird aufgehoben.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2004 (Az.: S 7 KA 2616/04 ER) lehnte das Sozialgericht Gotha den Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wegen eines Honorarregresses ab und setzte den Streitwert auf 12.191,57 Euro fest. Der 4. Senat des Thüringer Landessozialgerichts (Thüringer LSG) wies die Beschwerde mit Beschluss vom 17. Mai 2005 zurück.

Unter dem 9. Dezember 2004 forderte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts den Beschwerdeführer mit ihrer Kostenrechnung auf, Gebühren in Höhe von 328,50 Euro zu zahlen und legte dabei einen Streitwert von 12.191,57 Euro zugrunde.

Am 9. Mai 2005 hat der Beschwerdeführer der Kostenrechnung widersprochen. Mit Beschluss vom 7. Januar 2010 hat der Vorsitzende der 7. Kammer des Sozialgerichts das Erinnerungsverfahren "bis zur Klärung der Prozessfähigkeit des Klägers" ausgesetzt. Der für die Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständige 11. Senat des Thüringer LSG habe in einer Reihe von Berufungs- und Beschwerdeverfahren begründete Zweifel an dessen Prozessfähigkeit geäußert und eine Verhandlung allein zur Prozessfähigkeit angekündigt. Daher sei es sachdienlich, das Verfahren bis zur Klärung der Prozessfähigkeit auszusetzen. Die Bestellung eines besonderen Vertreters komme nicht in Betracht, weil weder ein Betreuungsverfahren eingeleitet noch die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers festgestellt sei.

Am 26. Januar 2010 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und auf seine "amtsärztlich" festgestellte Prozessunfähigkeit sowie die Bestellung eines besonderen Vertreters in anderen Verfahren des erkennenden Senats (Beschluss vom 10. Mai 2007 - Az.: L 6 B 149/06 SF u.a.) hingewiesen. Die Aussetzung sei nicht sachdienlich und verzögere nur das Verfahren. Einzige "faire und humane" Lösung seiner Verfahren sei ein Vergleich mit den verschiedenen "Beklagten" seiner Verfahren.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 7. Januar 2010 aufzuheben.

Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Mit Verfügung vom 11. Februar 2010 hat der 11. Senat beim Amtsgericht Jena die Einrichtung einer Betreuung des Beschwerdeführers (nicht: Kläger) angeregt (Az.: L 11 KA 809/08 u.a.). Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 24. März 2010 nach entsprechender Anhörung Justizoberinspektor D. F. zum besonderen Vertreter bestellt. Dieser hat unter dem 9. April 2010 der Beschwerdeerhebung zugestimmt.

II.

Gegenstand der Entscheidung ist nur die Aussetzung des Verfahrens. Offensichtlich verbieten sich hier Erörterungen über einen Vergleich zu nicht gegenständlichen Sachverhalten.

Die Beschwerde ist begründet.

Hängt nach § 114 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist. Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet bereits deshalb aus, weil hier kein "Rechtsverhältnis" festzustellen ist.

Die nur für "eng umgrenzte Fälle" (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992 - Az.: 7 RAr 16/91, nach juris) mögliche entsprechende Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG kommt nicht in Betracht. Zum einen hat der Senat bereits einen besonderen Vertreter nach § 72 SGG bestellt. Damit entfällt zum jetzigen Zeitpunkt der Sinn der Aussetzung, denn dieser kann alle Rechte des Beschwerdeführers ausüben.

Allerdings lagen...

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