Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. Arbeitslosengeld II. Überprüfungsanträge für mehrere Bewilligungsabschnitte. Zusammenfassung und Entscheidung in einem Bescheid. separate Widersprüche hinsichtlich der jeweiligen Bewilligungsabschnitte. Zusammenfassung und Entscheidung in einem Widerspruchsbescheid. Erhebung separater Klagen hinsichtlich der jeweiligen Bewilligungsabschnitte. Streitgegenstand. kein Fall anderweitiger Rechtshängigkeit. Zeitpunkt der Rechtshängigkeit von gebündelt erhobenen Klagen
Leitsatz (amtlich)
1. Fasst ein SGB 2-Leistungsträger separate Überprüfungsverfahren gegen verschiedene Bewilligungsabschnitte in einem Überprüfungsbescheid zusammen, ist es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich nicht verwehrt, hieraus hinsichtlich der jeweiligen Bewilligungsabschnitte separate Widersprüche zu erheben. In diesem Fall ist weder eines der hieraus resultierenden Widerspruchsverfahren das "führende" noch ein anderes wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig.
2. Der SGB 2-Leistungsträger kann aus verschiedenen Widersprüchen gegen verschiedene Bewilligungsabschnitte resultierende Widerspruchsverfahren in einem Widerspruchsbescheid zusammenfassen (Anschluss an BSG vom 16.2.2012 - B 4 AS 89/11 R, RdNr 11).
3. Der Leistungsberechtigte kann (zumindest) einen Widerspruchsbescheid, der mehrere Bewilligungsabschnitte umfasst mit jeweils hierauf gerichteten separaten Klagen anfechten. Es liegt dann - wenn der SGB 2-Leistungsträger hinsichtlich des jeweiligen Streitgegenstandes tatsächlich nur diesen einen Widerspruchsbescheid erlassen hat - kein Fall von anderweitiger Rechtshängigkeit vor.
4. Sofern ein Unbemittelter ohne nachvollziehbaren und triftigen Grund aus einem Widerspruchsbescheid hinsichtlich jedes einzelnen möglichen Streitgegenstandes separate Klagen erhebt, liegt in der Regel Mutwillen iS des § 114 S 1 ZPO vor, mit der Folge, dass die Gewährung von PKH abzulehnen ist. Der Unbemittelte wird es - zur Vermeidung des Erscheinens der Mutwilligkeit - regelmäßig dem angerufenen Gericht durch Trennung nach § 202 SGG iVm § 145 Abs 1 ZPO bzw § 113 Abs 2 SGG überlassen müssen, zu beurteilen, ob tatsächlich die Notwendigkeit oder Erforderlichkeit eines separaten Klageverfahrens besteht.
5. Zur Bestimmung des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit von gebündelt erhobenen Klagen.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 1. Juli 2011 über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Kläger bezogen (zumindest) vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2005 sowie vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2009 vom beklagten Jobcenter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Schreiben vom 5. November 2009 stellten die anwaltlich vertretenen Kläger hinsichtlich der oben genannten Zeiträume Überprüfungsanträge. Dabei hatten sie für den jeweiligen Zeitraum nebst entsprechendem Bescheid einen separaten Überprüfungsantrag gestellt. Soweit innerhalb eines Bewilligungszeitraumes mehrere Bescheide erstellt wurden, wurde jeder einzelne Bescheid zur Überprüfung gestellt. Neben eines Hinweises auf die Überprüfungsverpflichtung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) für Verwaltung und (sogar) Gerichte und auf die Frist zur Erhebung von Untätigkeitsklagen nach § 88 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) enthält der Überprüfungsantrag keine Begründung. Es heißt schlicht, die Leistungen seien in fehlerhafter Höhe bewilligt.
Der Beklagte hatte die Überprüfungsanträge zusammengefasst und über diese mit Bescheid vom 7. Juli 2010 entschieden. In diesem Bescheid mit dem Betreff "Antrag auf Überprüfung meiner Bescheide vom 20.05.2005, 14.11.2005, 28.09.2006, 22.02.2007, 01.06.2007, 19.12.2007, 06.03.2008, 24.07.2008, 26.08.2008, 05.01.2009, 04.06.2009, 10.07.2009, 15.09.2009, 25.09.2009 und 09.10.2009, gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)" stellte der Beklagte fest, dass die Überprüfung ergeben habe, dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei.
Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2010 wiederum separat nach Bewilligungsabschnitten - nun aber nicht auch getrennt nach Bescheiden - Widerspruch.
Das beklagte Jobcenter vergab jedem einzelnen Widerspruch ein Aktenzeichen wie folgt:
- W 3003/10 gegen den Bewilligungsbescheid vom 10. Juli 2009 in der Fassung (i.d.F.) der Änderungsbescheide vom 15. September 2009, 25. September 2009 und 9. Oktober 2009 sowie des Überprüfungsbescheides vom 7. Juli 2010 (Bewilligungszeitraum 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009),
- W 3004/10 gegen den Änderungsbescheid vom 4. Juni 2009 i.d.F. des Überprüfungsbescheides vom 7. Juli 2010 (Bewilligungszeitraum 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007),
- W 3005/10 gegen die Änderungsbescheide vom 1. Juni 2007 und 4. Juni 2009 i.d.F. des Überprüfungsbescheides vom 7. Juli 2010 (Bewilligungszeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007),
- W 3006/10 gegen den Bewilligungsbescheid vom 5. Januar 2009 i.d.F. der Änd...