Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühr unter Berücksichtigung von Synergieeffekten. Kostenerinnerung. Verfahrensgebühr. Terminsgebühr. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger. Vermögensverhältnisse

 

Orientierungssatz

1. Die Höhe der Rechtsanwaltsgebühr bestimmt sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

2. Ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in einem Verfahren über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen erheblich unterdurchschnittlich, hat der Anwalt nur einen Schriftsatz gefertigt, der identisch ist mit solchen in von ihm für denselben Kläger geführten Parallelverfahren, so mindert dieser Synergieeffekt den Aufwand im Verfahren erheblich. Bei einer deutlich unterdurchschnittlichen Schwierigkeit und einem erheblich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist die Verfahrensgebühr in Höhe der halben Mittelgebühr festzusetzen.

3. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Termins- und Einigungsgebühr.

Zitierung:

BSG, Urteil vom 01. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R; NJW 2010, 1400

 

Normenkette

RVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1; VV-RVG Nrn. 1006, 3102-3103, 3106

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 25. März 2013 wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebührenist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N.) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Die Beschwerde wurde auch rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist erhoben. Die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Beschluss ist fehlerhaft, denn dort wird angegeben, die Beschwerdefrist sei auch gewahrt, wenn die Beschwerde (innerhalb der Zwei-Wochen-Frist) beim Thüringer Landessozialgericht eingelegt wird. Dies widersprich dem eindeutigen Wortlaut der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG, wonach sie bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Entscheidung angefochten wird (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Mai 2013 - L 6 SF 293/13 B).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Erinnerung war nicht unzulässig, wie die Vorinstanz mangels entsprechendem Vortrag der Beschwerdeführerin angenommen hat, denn Rechtsanwalt M. hatte dieser seine Gebührenansprüche für das Verfahren S 12 AS 3300/10 nach der nunmehr eingereichten Abtretungserklärung am 6. Juli 2011 abgetreten.

Im Übrigen bestehen gegen die Festsetzung der Gebührenhöhe in der Entscheidung der Vorinstanz keine Bedenken. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das Sozialgericht hatte den Klägern mit Beschluss vom 1. Dezember 2010 Prozesskostenhilfe gewährt. Sie waren auch kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Im Erinnerungsverfahren hat sich die Beschwerdeführerin allerdings auch gegen die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102 VV-RVG gewandt. Die festgesetzte halbe Mittelgebühr (85,00 Euro) ist im Ergebnis angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war erheblich unterdurchschnittlich. Abgestellt wird auf den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen...

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