Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliges Rechtsschutz. fiktive Terminsgebühr gem RVG-VV Nr 3106. Teilanerkenntnis. Erledigungsgebühr gem RVG-VV Nr 1006
Leitsatz (amtlich)
1. Ein volles Anerkenntnis in einem Eilverfahren begründet die fiktive Terminsgebühr nach RVG-VV Nr 3106 (vgl LSG Essen vom 26.4.2007 - L 7 B 36/07 AS).
2. Ein Teilanerkenntnis fällt nicht unter RVG-VV Nr 3106 (vgl LSG Erfurt vom 19.6.2007 - L 6 B 80/07 SF; LSG Essen vom 10.5.2006 - L 10 B 13/05 SB).
3. Eine Erledigungsgebühr nach VV-RVG Nr 1006 erfordert eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 22/06 R und B 1 KR 23/06 = JurBüro 2007, 584; vgl BFH vom 12.2.2007 - II B 140/06). Sie liegt nicht nur dann vor, wenn der Rechtsanwalt auf seinen Mandanten eingewirkt hat, sich mit einem Teilanerkenntnis zufrieden zu geben (vgl LSG Erfurt vom 19.6.2007 - L 6 B 80/07 SF), sondern auch dann, wenn er den Rechtsstreit auf Grund des eigenen Ermessensspielraums ohne Rücksprache mit dem Mandanten für erledigt erklärt (Entgegen OVG Münster vom 28.1.1999 - 3 E 809/98).
Orientierungssatz
§ 178 S 1 SGG, der nach seinem Wortlaut auch die Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfasst, wird bei einer PKH-Gewährung von dem dann spezielleren § 73a Abs 1 SGG verdrängt. Dieser umfasst nicht nur die ausdrücklich genannten §§ 114ff der Zivilprozessordnung (ZPO), sondern auch den daraus abgeleiteten Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gem §§ 45ff RVG. Insoweit enthalten die §§ 56 Abs 2 S 1, 33 RVG eigenständige Verfahrensregeln über die möglichen Rechtsbehelfe.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 18. April 2008 abgeändert und die zu erstattende Vergütung auf 485,52 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Altenburg streitig (Az.: S 20 AS 1979/07 ER). Dort hatten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller, eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft, den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit dem die Antragsgegnerin (eine ARGE SGB II) verpflichtet werden sollte, eine Betriebskostennachzahlung in Höhe von 197,50 Euro und die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung am 1. August 2007 zu bewilligen. Antragsgemäß bewilligte ihnen das Sozialgericht mit Beschluss vom 19. Juli 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdeführer bei. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2007 erkannte die Antragsgegnerin die Nachzahlung an und führte aus, hinsichtlich der Kosten für die Unterkunft und Heizung ab 1. August 2007 sei der Antrag unbegründet. Mit Schriftsatz vom 7. August 2007 nahm der Beschwerdeführer für die Antragsteller das Anerkenntnis an und erklärte das Verfahren für erledigt.
Mit am 16. August 2007 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren:
|
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
180,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
180,00 Euro |
Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG |
108,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
488,00 Euro |
USt |
92,72 Euro |
|
580,72 Euro |
Mit Verfügung vom 6. September 2007 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattende Gebühr auf 357,00 Euro fest und führte aus, üblicherweise seien in einstweiligen Rechtsschutzverfahren geringere Gebühren anzusetzen, weil Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit erheblich unter dem Durchschnitt lägen. Insofern sei die Gebühr um ein Drittel der Mittelgebühr zu mindern. Eine Terminsgebühr sei nicht zu erstatten, weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht obligatorisch sei.
Mit der Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgetragen, jeder Anwalt sei auch im Eilverfahren zur sorgfältigen Ermittlung verpflichtet. Insofern sei zwischen Eil- und Klageverfahren nicht zu unterscheiden. Die Voraussetzungen für die Terminsgebühr lägen vor.
Mit Beschluss vom 18. April 2008 hat das Sozialgericht die Vergütung des Beschwerdeführers auf 366,52 Euro festgesetzt und ausgeführt, die Verfahrensgebühr von insgesamt 288,00 Euro überschreite weder die festgesetzte noch die beantragte Gebühr um 10 v.H., so dass nicht von einer Unbilligkeit ausgegangen werden könne. Eine Terminsgebühr komme nicht in Betracht, weil diese für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht vorgeschrieben sei. Aus dem Zusammenhang der Anmerkungen zu Nr. 3106 VV RVG sei zu entnehmen, dass nur solche Fälle erfasst würden, in denen die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung der gesetzlich vorgesehene Regelfall sei.
Gegen den am 2. Mai 2008 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 30. Mai 2008 Beschwerde...