Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühr. Voraussetzungen der Rahmengebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren nach §§ 56 Abs 2 S 1, 33 Abs 3 S 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) ist statthaft (entgegen LSG Mainz, Beschluss vom 7.4.2008 - L 2 B 47/08 SB, LSG Celle-Bremen, Beschluss vom 28.12.2006 - L 8 B 4/06 SO SF, LSG Berlin, Beschluss vom 28.2.2005 - L 9 B 166/02 KR).
2. § 178 Abs 1 SGG, der nach seinem Wortlaut auch die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfassen würde, wird von dem spezielleren § 73a Abs 1 SGG verdrängt (so auch LSG Essen, Beschluss vom 29.1.2008 - L 1 B 35/07 AS). Er umfasst nicht die ausdrücklich genannten §§ 114ff der ZPO, sondern auch den daraus abgeleiteten Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gemäß §§ 45ff RVG.
3. Für jede Rahmengebühr sind die in § 14 RVG genannten Kriterien getrennt zu prüfen (vgl LSG Erfurt, Beschlüsse vom 6.3.2008 - L 6 B 198/07 SF und 18.6.2007 - L 6 B 60/07 SF, LSG Schleswig, Beschluss vom 12.9.2006 - L 1 B 320/05 SF SK).
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Gotha streitig (Az.: S 31 AS 1418/06), in dem sich die von der Beschwerdegegnerin vertretene Klägerin gegen die Höhe der gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SFGB II) wandte. Sie war der Ansicht, dass ihr die entstandenen Wohnkosten in voller Höhe (344,70 Euro) zu erstatten seien. Auf den gleichzeitig mit der Klage am 11. Mai 2006 gestellten Antrag bewilligte das Sozialgericht der Klägerin mit Beschluss vom 22. Februar 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete die Beschwerdegegnerin bei. Diese reichte drei weitere Schriftsätze ein und nahm an dem Erörterungstermin des Sozialgerichts am 21. März 2007 teil. Dort wurde ein Widerrufsvergleich geschlossen, in dem u.a. die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben wurden. Beginn und Ende des Termins sind in der Niederschrift nicht vermerkt. Der Vergleich wurde nicht widerrufen.
In ihrem am 3. April 2007 beim Sozialgericht eingegangenen Kostenerstattungsantrag vom 29. März 2007 begehrte die Beschwerdegegnerin die Erstattung folgender Gebühren:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
250,00 Euro |
Termingebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1005, 1000 VVRVG |
280,00 Euro |
Zwischensumme |
730,00 Euro |
Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
Reisekosten Nr. 7003 VV RVG |
26,20 Euro |
Zwischensumme |
776,20 Euro |
19 v.H. Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
147,48 Euro |
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923,68 Euro |
Mit Verfügung vom 16. Mai 2007 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattende Gebühr auf 159,70 Euro fest. Die Gebührenbestimmung der Beschwerdegegnerin stehe in krassem Missverhältnis zu dem geringen "Streitwert". Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei als gering einzuschätzen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in BT-Drucks. 14/5943 gehe der Gesetzgeber "offensichtlich" davon aus, dass die Gebührenabrechnung nach Streitwerten ungünstiger sei als eine Abrechnung nach Betragsrahmen. Daraus ergebe sich, dass das Ermessen des Rechtsanwalts bei der Bestimmung der Gebühren der Höhe nach durch das Ergebnis einer Vergleichsberechnung nach dem Wert des Streitgegenstandes begrenzt sei. Insofern seien die Mindestgebühren der Nrn. 3102, 3106, 1006 VV RVG festzusetzen.
Mit ihrer Erinnerung hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, die Bedeutung der Angelegenheit könne nicht auf den streitgegenständlichen Wert herabgestuft werden. Es sei um eine grundlegende Frage gegangen, die auch für zukünftig zu erwartende Bescheide relevant sei. Damit sei mindestens der Jahreswert zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen seien weiter die Dauer des Verfahrens, die nicht einfache Rechtslage und die Tatsache, dass die Klägerin sehr oft zur Besprechung erschienen sei und eine Vielzahl von zu bearbeitenden Unterlagen eingereicht habe. Der Beschwerdeführer hat sich zur Begründung auf die Stellungnahme der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bezogen.
Mit Beschluss vom 28. September 2007 hat das Sozialgericht die "aus der Landeskasse" zu zahlende Vergütung auf 828,47 Euro festgesetzt. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine Mittelgebühr von 250,00 Euro nach Nr. 3102 VV RVG entstanden sein könne. Die Beschwerdegegnerin habe bereits im Verwaltungsverfahren mitgewirkt, sodass die Mittelgebühr 170,00 Euro betrage. In Streitigkeiten nach dem SGB II würden existenzsichernde Ziele verfolgt, sodass der Verweis auf den geringen Gegenstandswert fehl gehe. In den allermeisten Fällen müsse - von den Interessen der Kläger ausgehend - die Mittelgebühr zustande kommen. Im Rahmen der Gebührenbemessung seien alle Umstände des Einzelfalls zu bedenken und miteinander abzuwägen. Regelmäßig lasse sich nicht die Feststellung treffen, dass nur ein bestimmter Betrag angemessen se...