Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.
2. Erklärt der Richter in seiner dienstlichen Äußerung, er fühle sich in der Sache befangen, so ist es bei objektiver Betrachtung nicht fernliegend, dass hierauf eine Partei besorgt ist, die Sicht des zur Entscheidung berufenen Richters sei eingeschränkt und er sei parteiisch. Dies gilt erst recht, wenn die richterliche Erklärung, sich befangen zu fühlen, auf persönlichen Vorwürfen gründet.
Tenor
Das Gesuch der Klägerin vom 17. Januar 2011, Richterin am Sozialgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist begründet.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 26,37 Euro nebst Zinsen hat.
Die Klägerin ist Apothekerin und gab an die am 17. März 2007 geborene Versicherte R. Z. am 4. Dezember 2007 einen Pari JuniorBoy S ® und zusätzlich eine Babymaske Größe 2 ab. Der Abgabe lag eine Verordnung der Dipl.-Med. T. vom 27. November 2007 mit folgendem Wortlaut zu Grunde:
"1 Pariinhalierboy junior S mit Zubehör
Best.-Nr. 05361300
1 Baby Maske Best.-Nr. 041E0704
Dg: obstruktive Bronchitis"
Die Klägerin stellte der Beklagten 221,49 Euro (195,12 Euro und 26,37 Euro) in Rechnung, die diese zunächst zahlte. Im Rahmen einer Überprüfung beanstandete sie die Abrechnung von 26,37 Euro und verrechnete sie im Mai 2009 gegen laufende Forderungen der Klägerin.
Im Klageverfahren (Az.: S 3 KR 590/10) hat diese von der Beklagten die Zahlung von 26,37 Euro nebst Zinsen verlangt und vorgetragen, Herr der Therapie sei der Arzt. Der Apotheker sei nicht berechtigt - geschweige denn verpflichtet - , dessen Verordnung zu korrigieren nur weil die Beklagten meine, es könne auch billiger gehen. Mit Schriftsatz vom 13. April 2010 hat die Beklagte u.a. auf das Urteil das SG Gotha vom 22. März 2010 - Az.: S 38 KR 2243/06 Bezug genommen. Dort hat die 38. Kammer die zwischen einem Apotheker und der Beklagten anhängige Klage auf Zahlung von 24,85 Euro wegen der Abgabe einer zusätzlichen Babymaske abgewiesen. Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, dieses Urteil sei kein Ruhmesblatt für die Rechtsprechung des SG; es grenze an Rechtsbeugung. Daraufhin hat sich die Vorsitzende der 38. Kammer - Richterin am Sozialgericht (RinSG) X - mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 bei der Rechtsanwaltskammer Thüringen beschwert und u.a. ausgeführt, das Verhalten des Prozessbevollmächtigten könne unter keinen Umständen hingenommen werden. Er habe einen unsachlichen und sehr schwerwiegenden Vorwurf erhoben. Der Tatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 des Strafgesetzbuches (StGB) stelle ein Verbrechen dar, welches mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren geahndet werde. Die Entgleisung könne auch schwerlich von Mandanteninteressen gedeckt sein. In beiden Fällen handele es sich um Bagatellfälle. Es bestehe der Verdacht, dass der Rechtsanwalt gegen Grundpflichten nach § 43 a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verstoßen habe. Sollte sich ein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten des Prozessbevollmächtigten ergeben, stelle sie schon jetzt rein vorsorglich einen Strafantrag aus allen rechtlichen Gesichtspunkten. Schließlich bestehe der Verdacht, dass dieser gegen seine Fortbildungspflicht nach § 43 Abs. 6 BRAO verstoßen habe und ihm die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter nicht bekannt sei.
Mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 ist ein Wechsel der Kammerzuständigkeit erfolgt. Zuständig für die Bearbeitung des Rechtsstreits ist nunmehr die 38. Kammer (Az.: S 38 KR 590/10).
Am 17. Januar 2011 hat die Klägerin beantragt, die Vorsitzende der 38. Kammer RinSG X wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sie habe durch deren Beschwerde vom 29. Oktober 2010 gegen ihren Prozessbevollmächtigten erfahren, dass sie den Rechtsstreit mit entscheide. Das Ablehnungsgesuch stütze sie auf das rechtswidrige Verhalten in dem vorangegangenen Verfahren gleichen Inhalts (Az.: S 38 KR 2243/06), die Übergehung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in dem Verfahren Az.: S 38 KR 2918/05 und die Reaktion (Beschwerde an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zwecks Einleitung eines anwaltsgerichtlichen oder strafgerichtlichen Verfahrens bei gleichzeitiger Stellung eines Strafantrages) auf die Urteilsschelte mit Schriftsatz vom 25. Mai 2010. Das Urteil in dem Verfahren Az.: S 38 KR 2918/05 sei durch mehrfache Rechtsverstöße zu Stande gekommen. Entgegen § 112 Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei der Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung nicht dargestellt und das Sach- und Streitverhältnis nicht erörtert worden. Das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei verletzt und...