Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Unterkunftsbedarf. Miteigentum an Mehrfamilienhaus. selbstgenutzte Wohnung. Mietvertrag mit geschiedenem Ehegatten als Miteigentümer. Nichtberücksichtigung einer vereinbarten Miete bzw Nutzungsentschädigung. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Mieteinnahmen. Kaltmieten. Nichtberücksichtigung von Betriebskostenvorauszahlungen. Absetzung der mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben. Tilgungsleistungen. Vermögenserwerb. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Bewilligung. Anwendungsbereich von § 41a Abs 6 S 2 SGB 2
Orientierungssatz
1. Zur Frage der Berücksichtigung einer vereinbarten Miete bzw Nutzungsentschädigung als Unterkunftsbedarf nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2, wenn vom Leistungsberechtigten aufgrund von Miteigentum keine Miete geschuldet wird.
2. Im Rahmen der Ermittlung des Einkommens des Leistungsberechtigten aus Vermietung sind bei den Einnahmen nur die Kaltmieten, nicht aber die Betriebskostenvorauszahlungen zu berücksichtigen.
3. Tilgungsraten, die auf nicht selbstgenutzten Wohnraum entfallen, stellen notwendige Ausgaben iS von § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2 dar, die vom Einkommen aus Vermietung in Abzug zu bringen sind.
4. Die Regelung des § 41a Abs 6 S 2 SGB 2 bezieht sich allein auf die Verrechnung von Leistungen im Rahmen der abschließenden Festsetzung. Hat die Behörde die Leistungen abschließend festgesetzt, kommt eine Verringerung der darin festgesetzten Leistungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB 10 in Betracht.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 11. November 2019 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30. Mai 2018 i. d. F. des Bescheides vom 20. Dezember 2018 verurteilt, der Klägerin für Juli 2017 605,71 €, für August 2017 682,23 €, für September 2017 889,26 € und für Oktober 636,83 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum Juli bis Dezember 2017.
Die 1960 geborene, erwerbsfähige Klägerin ist seit dem 24. Juni 2015 geschieden. Sie ist gemeinsam mit ihrem früheren Ehemann Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses mit einer Gesamtwohnfläche von 260 m², in dem sich drei Wohnungen befinden. Zwei der Wohnungen sind vermietet, in der dritten, etwa 80 m²-großen Wohnung lebt die Klägerin seit dem Auszug ihres Exmannes alleine. Zur Finanzierung des Hauses wurden von den Eheleuten gesamtschuldnerisch Darlehen aufgenommen, welche mit Bausparverträgen unterlegt sind.
Am 5. Juli 2014 schlossen die bereits getrenntlebenden Eheleute eine Vereinbarung, wonach die Wohnung der Klägerin zur alleinigen Nutzung überlassen wurde. Hierfür sollte sie eine Nutzungsvergütung von monatlich 550,00 € zahlen, wovon 150,00 € auf die Betriebskosten entfielen. Der Ehemann verpflichtete sich, die anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen sowie feste Kosten zu tragen. Die anfallenden Verbrauchskosten sollte die Klägerin tragen. Am selben Tag unterschrieben die Eheleute auch einen Mietvertrag mit entsprechenden Regelungen über die Wohnung.
Am 16. Juli 2015 schlossen die Klägerin und ihr inzwischen geschiedener Ehemann vor dem Amtsgericht einen Vergleich, worin vereinbart wurde, die Mieteinnahmen (wie bereits zuvor) zur Begleichung der Finanzierungsraten von monatlich 1.081,25 € und der Nebenkosten von (damals) 750,00 € monatlich zu verwenden, etwaige Überschüsse sollten zur Ansparung eines Bausparvertrages verwendet werden, um die Immobilie im Jahr 2022 schuldenfrei stellen zu können. Weiterhin verzichteten beide auf die Beantragung der Teilungsversteigerung.
Für die beiden vermieteten Wohnungen, in denen im streitigen Zeitraum insgesamt fünf Personen wohnten, wurde eine Kaltmiete von insgesamt 850,00 € monatlich erzielt, an Betriebskostenvorauszahlungen wurden 350,00 € geleistet. Die Betriebskosten wurden jährlich mit den Mietern abgerechnet. Sämtliche Kosten für das Haus wurden von einem separaten Konto gezahlt, auf welches auch die Mietzahlungen erfolgten.
Im Jahr 2017 waren für das Darlehen Nr. 4 579 287 6 01 monatlich 374,00 € Zins und Tilgung zu zahlen, die Zinsen beliefen sich auf 916,10 € im Jahr. Für das Darlehen Nr. 4 579 287 6 54 waren im Jahr 2017 monatlich Zinsen von 396,75 € zu zahlen, eine Tilgung erfolgte nicht. Für das Darlehen Nr. 4 579 287 6 52 waren im Jahr 2017 monatlich 159,70 € Zins und Tilgung zu zahlen, wobei die Zinsbelastung wie folgt war:
|
Juli |
102,36 € |
August |
102,13 € |
September |
101,90 € |
Oktober |
101,67 € |
November |
101,44 € |
Dezember |
101,21 € |
Weiterhin wurden im Jahr 2017 monatlich 151,00 € auf einen Bausparvertrag gezahlt, welcher zur Tilgung des Darlehens Nr. 4 579 287 6 54 bestimmt ...