Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Bindungswirkung gem § 108 Abs 1 SGB 7: Feststellung eines Versicherungsfalles. keine Entscheidungsbefugnis des Unfallversicherungsträgers: Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder eines Betriebswegeunfalls. haftungsrechtliche Natur. Unfall auf einem Betriebsparkplatz
Orientierungssatz
Die Bindungswirkung gem § 108 SGB 7 beschränkt sich nur auf die Feststellung, ob ein Versicherungsfall vorliegt, nicht aber darauf, ob es sich hierbei um einen Betriebswegeunfall gem § 8 Abs 1 SGB 7 oder um einen Wegeunfall gem § 8 Abs 2 SGB 7 handelt, insoweit sind die Zivilgerichte in ihrer Entscheidung frei.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichtes Gotha vom 17. November 2014 aufgehoben. Die Feststellungen der Beklagten in den Bescheiden vom 19. Januar 2012 und 31. Juli 2012 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 17. September 2012 dazu, ob es sich bei dem Arbeitsunfall vom 28. Juli 2010 um einen Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII oder um einen Unfall innerhalb des Betriebes nach § 8 Abs. 1 SGB VII handelt, werden aufgehoben.
Die darüber hinaus gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
In der Sache ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der anerkannte Arbeitsunfall des Klägers ein Wegeunfall oder ein Unfall innerhalb des Betriebes (Betriebswegeunfall) war.
Der Kläger wurde am 28. Juli 2010 auf dem "Parkplatz für Betriebsangehörige" (vgl. Betriebsverkehrsordnung (BVO) der Firma B.) von einer Kollegin, der Beigeladenen zu 1., angefahren und zog sich dabei Verletzungen zu. Der Unfall wurde der Beklagten angezeigt und außerdem führt der Kläger gegen die Beigeladene zu 1. und die ... Versicherungs-Gesellschaft, Beigeladene zu 2., einen Rechtsstreit bei dem Landgericht Erfurt (Aktenzeichen 9 O 1039/11).
Mit Beschluss vom 4. November 2011 setzte das Landgericht den Rechtsstreit "bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung des Unfallversicherungsträgers oder einer rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichtes gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII darüber, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist" aus.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 erkannte die Beklagte das Ereignis "als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII" und damit als Wegeunfall an. Außerdem bejahte sie ausdrücklich ihre Leistungspflicht für die unfallbedingte Behandlung.
Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene zu 2), die ... Versichungs-Gesellschaft, Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 20. April 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, ihren Bescheid vom 19. Januar 2012 für die Zukunft zurückzunehmen, weil kein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vorliege, sondern ein Betriebswegeunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 19. Januar 2012 für die Zukunft auf. Sie stellte fest, dass ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII vorgelegen habe. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2012 als unbegründet zurückwies.
Das Sozialgericht Gotha hat auf die Klage zunächst die Kollegin und ihre Versicherung zu dem Verfahren beigeladen (Beschluss vom 27. Februar 2013) und mit Urteil vom 17. November 2014 die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig aber unbegründet, weil sich der Unfallort auf dem Betriebsgelände der Firma B. und nicht im öffentlichen Raum befunden habe.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass es sich um ein Wegeunfall handle, der Parkplatz sei auch für Unbefugte zugänglich; parkberechtigt seien neben Mitarbeitern der Firma B. Besucher und Kunden des Barverkaufs.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Gotha vom 17. November 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen beantragen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Feststellung der Beklagten in dem Bescheid vom 19. Januar 2012, dass das Ereignis vom 28. Juli 2010 ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII war, aufzuheben.
Sie beziehen sich zur Begründung auf ihr Vorbringen in erster Instanz und die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen sowie den Inhalt der vom Kläger angefochtenen Verwaltungsakte.
In einem Erörterungstermin am 15. April 2016 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Träger der Unfallversicherung gar nicht darüber zu entscheiden haben, ob ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 (Betriebswegeunfall) oder ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII vorliege. Die Beteiligten haben einen Widerrufsvergleich geschlossen; auf die Niederschrift vom 15. April 2016 wird Bezug genommen. Die Beigel...