Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsrecht. ehemalige DDR. Schülerunfall. Spezialschule. Kinder- und Jugendsportschule. sachlicher Zusammenhang. organisatorischer Verantwortungsbereich der Schule. Sportunfall. Wettkampfteilnahme. Mitglied des Nationalkaders. Länderwettkampf in der Schweiz
Leitsatz (amtlich)
Schüler einer Kinder- und Jugendsportschule, die als Mitglied des Nationalkaders der DDR im Nachwuchsbereich an einem Länderwettkampf in der Schweiz teilgenommen haben, sind auch unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in der DDR in der Schülerunfallversicherung nicht versichert, wenn die Schule mangels Einwirkungsmöglichkeit für die Teilnahme keine Mitverantwortung trug und der zum Wettkampf begleitende Trainer nicht auch zugleich Lehrkraft der Schule war.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 17. Juli 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Schülerin am 5. Mai 1989 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1975 geborene Klägerin besuchte zum Unfallzeitpunkt die Kinder- und Jugendsportschule „H.-R.“ in B. (KJS) und war in dem angeschlossenen Internat untergebracht. Ihre sportliche Ausbildung, die an die Stelle des regulären Sportunterrichts trat, war dem Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) übertragen. Zugleich gehörte die Klägerin dem SC Dynamo B. als Leistungskader an und war Mitglied im Nachwuchskader Turnen der Nationalmannschaft der DDR. Die Klägerin war für den Länderkampf im Turnen zwischen der DDR und der Schweiz, der vom 4. bis 8. Mai 1989 in M. stattfand, nominiert. Beim Einturnen erlitt sie am 5. Mai 1989 einen Unfall. Infolgedessen wurde nach Rückkehr in die DDR am 9. Mai 1989 arthroskopisch eine Meniskusteilresektion durchgeführt. Am 11. Mai 1989 wurde eine Unfallmeldung gegenüber dem zuständigen Bezirksvorstand des FDGB in B. abgegeben, welche unter anderem von dem Zeugen G. und dem Schulleiter der KJS G. als Betriebsleiter unterzeichnet wurde. Eine Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall nach dem Recht der DDR (§ 220 ff. AGB der DDR) durch die zuständige Betriebsgewerkschaftsleitung erfolgte nicht.
Im Rahmen der Ermittlungen zu einem anderen Unfallereignis vom 5. Juli 2008 zeigte die Klägerin der Unfallkasse B. mit dort am 30. März 2009 eingegangenem Schreiben an, dass sie während des Besuchs der KJS in B. verschiedene Unfälle erlitten hat. Die Unfallkasse B. leitete die Unterlagen zu den Unfällen vom 25. Juli 1988 und 5. Mai 1989 zuständigkeitshalber an die Unfallkasse B. weiter. Diese zog die noch verfügbaren Unterlagen zu dem Unfallereignis vom 5. Mai 1989 bei (unter anderem die Unfallmeldung vom 11. Mai 1989 und den Operationsbericht vom 9. Mai 1989). Eine Nachfrage bei dem Schul- und Leistungssportzentrum B. durch die Beklagte hinsichtlich des Unfallereignisses vom 5. Mai 1989 ergab, dass nach Rücksprache mit dem Zeugen G. sich der Unfall nicht während einer schulischen Veranstaltung ereignet habe. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2014 sinngemäß die Anerkennung eines Arbeitsunfalles hinsichtlich des Ereignisses vom 5. Mai 1989 und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Bei dem ungeschuldeten Ereignis habe es sich zwar nach dem Recht der ehemaligen DDR gemäß § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11.4.1973 (GBl I, Nr. 22, 199, nachfolgend: Erweiterungs-VO 1973) um einen Arbeitsunfall gehandelt. Jedoch sei nach dem ebenfalls anwendbaren Recht der Bundesrepublik kein Arbeitsunfall gegeben, da die Teilnahme an einem Länderwettkampf nicht in einem unmittelbaren schulischen Zusammenhang stehe. Ein hiergegen durch die Klägerin eingelegter Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2015 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2018 den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2015 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 5. Mai 1989 ein Arbeitsunfall gewesen ist. Das Unfallereignis vom 5. Mai 1989 sei einem Träger der Unfallversicherung zwar erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden, der Unfall sei jedoch sowohl nach dem zum Unfallzeitpunkt geltenden Recht der DDR als auch nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 b der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Arbeitsunfall gewesen. Danach seien Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen versichert gewesen. Der Schulbesuch bei der KJS genüge diesen Kriterien. Auch bei dem Länderwettkampf in der Schweiz sei der organisatorische Verantwortungsbereich der KJS eröffnet gewesen. Die Spezifik der Ausbildung in den Kinder- und Jugendsportschulen seien ...