Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Neufeststellung nach Heilungsbewährung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Gesamt-GdB-Bildung. sozialgerichtliches Verfahren. falscher Klagegegner auf Behördenseite. zulässige Umstellung der Klage außerhalb der Klagefrist

 

Orientierungssatz

1. Eine Umstellung der Klage auf den richtigen passivlegitimierten Rechtsträger auf Behördenseite (hier vom Freistaat Thüringen auf den zuständigen Landkreis) kann auch noch nach Ablauf der Klagefrist für eine Klage gegen diesen Träger erfolgen, weil das erstinstanzliche Gericht das Passivrubrum auch noch nach Ablauf der Klagefrist berichtigen kann (vgl BSG vom 10.3.2011 - B 3 P 1/10 R).

2. Zur Neufeststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach Heilungsbewährung gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG), ua Teil B Nr 5.2 (Hörverlust), Teil B Nr 9.2.2 (Aneurysmen), Teil 18.9 (Wirbelsäulenschäden) und Teil B Nr 3.7 (psychische Störung), einschließlich der Gesamt-GdB-Bildung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.02.2021; Aktenzeichen B 9 SB 39/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 15. März 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung des bei ihr festgestellten Grades der Behinderung (GdB ).

Bei der 1959 geborenen Klägerin wurde erstmals durch Bescheid vom 20. Mai 2009 ab dem 2. April 2009 ein GdB von 40 sowie das Merkmal „dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit“ unter Berücksichtigung der bei ihr vorliegenden Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwerhörigkeit beiderseits und Depression festgestellt. Nach einer Tumoroperation am Analrand stellte der Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2011 ab dem 6. Oktober 2011 einen GdB von 60 auf Grund der hinzugetretenen Analerkrankung in Heilungsbewährung fest. Im Juli und September 2013 wurde die Klägerin aufgrund von Aneurysmen operiert und stellte in der Folge einen Neufeststellungsantrag. Der Beklagte erließ daraufhin am 6. Dezember 2013 einen Bescheid, mit dem ein GdB von 60 ab dem 17. Oktober 2013 festgestellt wurde. Dieser Feststellung lagen folgende Behinderungen zu Grunde:

1. Hauterkrankung in Heilungsbewährung (GdB 50),

2. operiertes Aneurysma (GdB 20),

3. Depression, Schwindel (GdB 20) und

4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 10).

Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin nach einer durchlittenen Operation eines Endometriumkarzinoms die Neufeststellung ihres GdB . Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 10. Februar 2015 einen Gesamt-GdB von 80 ab Antragstellung fest. Dieser Feststellung lagen folgende Behinderungen zu Grunde:

1. Hauterkrankung in Heilungsbewährung (GdB 50),

2. Erkrankung der Gebärmutter in Heilungsbewährung, Verlust der Gebärmutter und beider Eierstöcke (GdB 50),

3. Schwerhörigkeit beiderseits (GdB 20),

4. Depression, Schwindel (GdB 20),

5. operiertes Aneurysma (GdB 20) und

6. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose .

Es wurde darauf hingewiesen, dass die Heilungsbewährung für die Hauterkrankung zwei Jahre betrage und daher eine Nachuntersuchungsfrist im September 2016 vorgesehen sei. Die Heilungsbewährung für die Gebärmuttererkrankung betrage ebenfalls zwei Jahre. Die Nachuntersuchungsfrist sei November 2016.

Im Herbst 2016 überprüfte der Beklagte, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Feststellung des GdB nach wie vor gegeben waren. Dazu holte der Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin G, Fachärztin für Allgemeinmedizin, M, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und von K, Facharzt für Frauenheilkunde, ein.

Nach Auswertung der Befundberichte hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Januar 2017 zu einer Herabsetzung des GdB für die Zukunft an. Es sei beabsichtigt, einen Gesamt-GdB von 30 festzustellen. Dieser Einschätzung lägen folgende Behinderungen zu Grunde:

1. Schwerhörigkeit beiderseits (GdB 20),

2. Depression, Schwindel (GdB 20),

3. operiertes Aneurysma (GdB 20),

4. Verlust der Gebärmutter und beider Eierstöcke (GdB 10) und

5. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose (GdB 10).

Aus den Befundberichten gehe hervor, dass hinsichtlich der Hauterkrankung und der Erkrankung der Gebärmutter nach Ablauf der Heilungsbewährung von jeweils zwei Jahren Rezidiv- und Metastasenfreiheit vorliege.

Mit Bescheid vom 25. April 2017 setzte der Beklagte den GdB entsprechend seiner Ankündigung auf 30 herab und stellte fest, dass das Merkmal „dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit“ vorliegt. Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch gewandt. Sie begründet den Widerspruch damit, dass sie bereits vor ihrer Krebserkrankung einen GdB von 40 gehabt habe. Außerdem seien ihre psychischen Leiden schlimmer geworden und sie sei stark durch dauerhaften Husten und Luftnot beeinträchtigt. Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht v...

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