Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers. weder Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Urlaubsreise noch auf Zahlung eines Zuschusses. Verfassungsmäßigkeit. Tagesstätte. Förderung des Kontakts zu nichtbehinderten Menschen. Gleichbehandlung. Zweitbescheid
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Entscheidung über die Art und Weise der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 54 ff SGB 12 besteht nach § 17 Abs 2 SGB 12 auch in den Fällen des § 53 Abs 1 S 1 SGB 12 grundsätzlich Auswahlmessen der Träger der Sozialhilfe.
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Träger der Sozialhilfe den Eigenanteil für Unterkunft und Fahrtkosten der Gruppenreise von Teilnehmern einer ambulanten Tagesstätte für psychisch behinderte Menschen nicht als Leistung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 SGB 12 iVm § 55 SGB 9 erstattet, weil sich die Reise im Ergebnis als Erholungsurlaub darstellt und der Förderbedarf in gleichem Maße in der Tagesstätte gedeckt werden kann. Darüber können das Programm der Reise und die Aktivitäten der Tagesstätte, aber auch Angaben des behinderten Menschen selbst Aufschluss geben.
3. Hilfebedürftige behinderte Menschen können nicht aus Art 3 GG ein Recht auf Förderung der Teilnahme an mehrtägigen Erholungsreisen ableiten, weil sie dieselben Möglichkeiten haben müssen, wie nichtbehinderte Menschen; die zutreffende Vergleichsgruppe sind nicht alle nichtbehinderten Menschen, sondern nur solche die selbst hilfebedürftig sind. Hilfebedürftige Menschen ohne Behinderung können indes aus dem SGB 12 ebenfalls kein Recht auf Förderung von Erholungsreisen herleiten.
Normenkette
SGB XII § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 2; SGB IX § 55 Abs. 2 Nr. 7, § 58 Nr. 1; SGB X § 44 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Mai 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Zuschusses in Höhe von (noch) 125,00 Euro für eine Gruppenreise vom 18. bis 22. Juni 2007 nach P. am See.
Der 1968 geborene Kläger ist alleinstehend und bewohnte im streitbefangenen Zeitraum eine eigene Mietwohnung in G. (Warmmiete 337,45 Euro). Er leidet laut neurologisch-psychiatrischem Gutachten des Dipl. med. R. vom 18. Dezember 2006 unter einem zerebralen Anfallsleiden (Epilepsie), welches (jedenfalls) 2006 unter einer antiepileptischen Therapie anfallsfrei verlief. Daneben liegt eine rezidivierende depressive Verstimmung auf der Grundlage einer persönlichen Disposition sowie reaktiv verstärkt eine Neurasthenie mit Einschränkung der allgemeinen psychischen und physischen Belastbarkeit und körperlichen Beschwerden vor allem im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates vor. Der Kläger ist laut dem Gutachten vor allem wegen fehlender Sozialkontakte unzufrieden und leidet unter dynamischen Defiziten, einem leicht verlangsamten Sprachfluss und Verlangsamung der grob motorischen Abläufe, einer Antriebsschwäche sowie mangelnder Eigenmotivation und Spontaneität. Im subjektiven Erleben werden kognitive Beeinträchtigungen (teils als Medikamentennebenwirkungen) berichtet. Neben den fehlenden Sozialkontakten folge daraus vor allem eine fehlende Initiative zur Alltagsstrukturierung. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 60 ohne Merkzeichen. Seine einzige Einkommensquelle ist eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland in Höhe von 575,16 Euro netto ab Mai 2005. Die Warmmiete wurde ab Oktober 2006 auf monatlich 349,69 Euro warm angehoben. Für eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung zahlt der Kläger monatlich 13,02 Euro. Seinen Kontoauszügen bis Dezember 2006 war maximal ein Guthaben von 600,00 Euro zu entnehmen. Über weiteres Vermögen verfügt er nicht.
Unter dem 7. Dezember 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Hilfen in besonderen Lebenslagen. Mit seinem daraufhin erstellten Gutachten vom 18. Dezember 2006 empfahl der Neurologe und Psychiater Dipl. med. R. die Eingliederung in ein tagesstrukturierendes Angebot wegen der obengenannten Erkrankungen und deren Folgen. Die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft schätzt er als anhaltend beeinträchtigt ein; der Kläger zähle zum Personenkreis des § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i. V. m. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wegen einer seelischen Behinderung in Form einer neurotischen Störung und Belastungsstörung. Auf die daraufhin eingeleitete Hilfeplanungskonferenz wurde unter dem 7. Dezember 2006 ein integrierter Behandlungs-/Rehabilitationsplan erstellt, mit welchem der Besuch einer Tagesstätte empfohlen wurde. Ziel der Maßnahme sollte seine Integration sein, die Wiedererlangung einer geregelten Tagesstruktur, die Wiedererlangung von Selbstständigkeit und das Training von lebenspraktischen Kompetenzen. Dazu wurde ...