Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Taschengeld aus Bundesfreiwilligendienst. Zusammentreffen mit Erwerbseinkommen aus selbstständiger Arbeit. Absetz- und Freibeträge
Leitsatz (amtlich)
1. Einkünfte, die ein Grundsicherungsempfänger im Rahmen der Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes als monatliches Taschengeld bezieht, sind als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen.
2. Bei dem Zusammentreffen von Einkünften aus Erwerbstätigkeit sowie aus der Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes sind Absetzbeträge für jede Tätigkeit gesondert abzusetzen und können - entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-VO (juris: AlgIIV 2008) - auch nebeneinander Anwendung finden. Dabei bildet der erhöhte Freibetrag des § 1 Abs 7 S 1 bis 3 Alg II-VO die Freibetragsobergrenze.
3. Das Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst ist nicht um den Zusatzfreibetrag für Erwerbstätige nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 6, Abs 3 S 2 SGB 2 zu bereinigen.
Normenkette
SGB II § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, S. 2, Abs. 3 S. 2, § 11b Abs. 1 S. 1 Nrn. 3-6, Abs. 2 Sätze 1-3, Abs. 3, § 7 Abs. 1 S. 1, §§ 11a, 19 Abs. 1-3, § 20 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 1 S. 4; SGB II a.F. § 1 Abs. 1 Nr. 13, § 11 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3-5; Alg II-V § 1 Abs. 7 Nr. 1; Alg II-V § 1 Abs. 7 Nr. 2; Alg II-V § 1 Abs. 7 Nr. 3; Alg II-V § 1 Abs. 7 Nr. 4; Alg II-V § 1 Abs. 7 Nr. 13; Alg II-V § 3 Abs. 1 S. 1; Alg II-V § 3 Abs. 1 S. 2; Alg II-V § 3 Abs. 2; Alg II-V a.F. § 1 Nr. 13; BFDG § 2 Nrn. 2, 4; JFDG § 2 Abs. 1 Nr. 3; SGB III § 328 Abs. 3 S. 1; EStG § 3 Nrn. 12, 26, 26a, 26b; SGB X § 39 Abs. 2; SGG § 96 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2014 wie folgt gefasst wird: Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 8. August 2013 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 10. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2013 in Gestalt des Bescheides vom 8. August 2013 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis 31. Dezember 2012 monatlich weitere 105 Euro sowie für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis 30. April 2013 monatlich weitere 130 Euro zu gewähren.
Der Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis 31. Dezember 2012 sowie vom 1. Februar 2013 bis 30. April 2013.
Der 1979 geborene alleinstehende Kläger bewohnt ein 26,73 m² großes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in der St. d. F., E. Hierfür entstanden ihm im Zeitraum vom 1. November 2012 bis 31. Dezember 2012 Kosten in Höhe von monatlich 220,22 Euro (131,94 Euro Kaltmiete, 42,93 Euro Vorauszahlung kalte Betriebskosten, 45,35 Euro Vorauszahlung Heizkosten) sowie im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. April 2013 in Höhe von monatlich 246,61 Euro (158,33 Euro Kaltmiete, 42,93 Euro Vorauszahlung kalte Betriebskosten, 45,35 Euro Vorauszahlung Heizkosten).
Der Kläger übt eine selbständige Tätigkeit aus. Aus dieser erzielte er vom 1. November 2012 bis 30. April 2013 Einnahmen in Höhe von 420 Euro sowie Ausgaben in Höhe von 101,52 Euro.
Vom 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2013 leistete der Kläger einen Freiwilligendienst auf der Grundlage des Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) bei dem R. … in E. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Hierfür erhielt er ein monatliches Taschengeld von 225 Euro.
Der Kläger hatte Aufwendungen für eine Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von jeweils 74,91 Euro, fällig zum 1. Januar 2013 und 1. April 2013.
Am 24. Oktober 2012 wurde dem Kläger eine Steuerrückerstattung in Höhe von 669,40 Euro gutgeschrieben.
Mit Bescheid vom 5. November 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis 30. April 2013 vorläufig Leistungen nach dem SGB II - für November 2012 und Dezember 2012 jeweils 257,65 Euro, für Januar 2013 und Februar 2013 jeweils 509,05 Euro sowie für März 2013 und April 2013 jeweils 509,04 Euro. Die Vorläufigkeit des Bescheides begründete der Beklagte mit den noch unklaren Einnahmen und Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit.
Gegen den Bescheid vom 5. November 2012 legte der Kläger am 20. November 2012 Widerspruch bei dem Beklagten ein. Es sei nicht der richtige Freibetrag seines Einkommens aus dem Bundesfreiwilligendienst in Ansatz gebracht worden.
Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2012 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 monatlich vorläufig 517,04 Euro sowie für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis 30. April 2013 monatlich vorläufig 517,05. Zur Begründung verwies er auf die Erhöhung des Regelbedarfs ab dem 1. Januar 2013.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 10. Januar 2013 bewilligte der Beklagte dem...