Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Barmer Ersatzkasse. Arzt. Apotheker. Integrationsvertrag. keine integrierte Versorgung iS von § 140a Abs 1 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem zwischen der Barmer Ersatzkasse (BEK), der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft e. G. (HÄVG) und der Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker mbH (MGDA) zum 1. Januar 2005 geschlossenen Vereinbarung handelt es sich nicht um ein zulässiges Vertragswerk im Sinne der integrierten Versorgung nach § 140 a Abs. 1 Satz1 SGB V.
2. Mit dem Vertragswerk wird keine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung erreicht, weil es in diesem Bereich keine Schnittstellenproblematik zu überwinden gilt.
3. Der so genannte “Integrationsvertrag„ entspricht letztlich dem Regelungscharakter der “hausarztzentrierten Versorgung„, ohne die dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu erfüllen und die damit verbundenen Konsequenzen zu tragen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 8. März 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Zahlungsklage über die Rechtmäßigkeit eines Vertrages der integrierten Versorgung nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V).
Die Beklagte als gesetzlicher Krankenversicherungsträger schloss mit der hausärztlichen Vertragsgemeinschaft e. G. (HÄVG) und der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker mbH (MGDA) im Dezember 2004 für die Zeit ab Januar 2005 einen "Vertrag zur integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken (im Folgenden: Integrationsvertrag) nach den §§ 140 a ff SGB V. Laut Vertragstext ist eine Unterstützung durch den Deutschen Hausärzteverband e. V. und den Deutschen Apothekerverband e. V. ausgewiesen.
Nach § 1 des Integrationsvertrages steht im Mittelpunkt des Regelwerkes die Koordinierung, Steuerung und Begleitung der Versorgung des Patienten durch den Hausarzt nach § 73 Abs. 1 a Satz 1 SGB V im Zusammenwirken mit dem Hausapotheker und anderen Leistungserbringern. Der Versorgungsauftrag beinhaltet dabei im Wesentlichen die individuelle Betreuung des Patienten durch den Hausarzt hinsichtlich eines optimalen Behandlungsablaufs, falls der Patient unterschiedliche Leistungserbringer und Versorgungsebenen (z. B. Fachärzte, andere Therapeuten, stationäre Behandlung) in Anspruch nehmen müsse. Der Hausarzt betreue seinen Patienten, indem er Behandlungsschritte koordiniere sowie Untersuchungs- und Behandlungsergebnisse zusammenführe. Dabei gelte der Arzneimittelversorgung besondere Aufmerksamkeit. Weiterhin beinhalte der Versorgungsauftrag die aktive Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker bei der Arzneimittelversorgung. Das bedeute, dass der Apotheker für eingeschriebene Patienten eine Medikationsliste anlege, der Hausarzt im konkreten Behandlungsfall Daten aus der Medikationsliste vom Apotheker anfordern könne und sich Arzt und Apotheker gemeinsam über die Medikation verständigten. Zudem gehöre dazu die patientenindividuelle Beratung durch den Hausarzt hinsichtlich präventiver Maßnahmen, die Beratung des Patienten über die integrierte Versorgung durch Hausärzte oder Hausapotheken, eine aktive Einbindung des Patienten in den Behandlungsablauf durch die beteiligten Leistungserbringer und die Einschreibung der Patienten. Ziel des Integrationsvertrages sei die bundesweite Etablierung und Umsetzung einer integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken auf der Grundlage der §§ 140 ff SGB V (§ 2 Integrationsvertrag). Die Vereinbarung gilt im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 3 des Integrationsvertrages). Die Vergütung der Hausärzte und Hausapotheken (Einschreibepauschale, Integrationspauschalen I und II, Präventionsscheck und Apothekenintegrationspauschale) regelt sich nach § 12 des Integrationsvertrages. Nach § 13 des Integrationsvertrages sind sich die Parteien darüber einig, dass die Etablierung einer hausarzt- und hausapothekenbasierten Versorgung zu Einsparungen bei veranlassten Leistungen führe. An den realisierten Einsparungen werden alle Vertragspartner beteiligt (§ 13 Nr. 1 des Integrationsvertrages). Den teilnehmenden Versicherten wird die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 SGB V ermäßigt (§ 15 Nr. 1 des Integrationsvertrages). Danach müssen die Versicherten die Praxisgebühr nur einmal pro Jahr zahlen.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie als Krankenversicherungsträger nach § 140 d Abs. 1 Satz 1 SGB V verpflichtet sei, für Verträge zur integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 bis zu 1 v. H. von den nach § 85 Abs. 2 SGB V an die kassenärztlichen Vereinigungen zu entrichteten Gesamtvergütungen sowie von den Rechnungen der in den relevanten Versorgungsregionen liegenden Krankenhäusern für voll- und teilstationäre Behandlung einzubehalten. Derzeit sei in der Versorgungsregion Thüringe...