Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Teilzahlung und spätere Nachzahlung von Arbeitsentgelt. Absetzung bzw Verteilung der Freibeträge
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Zufluss von Lohnbestandteilen für mehrere Monate innerhalb eines Kalendermonats sind die Freibeträge nach § 11b SGB II mit Blick auf Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung für jeden Monatslohn in Ansatz zu bringen.
2. Fließt ein Monatslohn hierbei anteilig in zwei Kalendermonaten zu, ist ausgehend von den Lohnabrechnungen ein einheitlicher Freibetrag zu ermitteln und dieser prozentual auf die Zuflussmonate zu verteilen.
Normenkette
SGB II § 11b Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2 S. 1, Abs. 3, 5 S. 1 Nrn. 3-6, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 11a Abs. 3 S. 1, §§ 19, 20 Abs. 2, § 22 Abs. 3, § 41 Abs. 2 S. 2, § 41a Abs. 4 S. 1, Abs. 5, § 80 Abs. 2 Nrn. 1-2; SGB II a.F. § 40 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a; Alg II-V § 2 Abs. 3 S. 3; SGB III § 328 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1; SGB X § 39 Abs. 2, § 45; SGG § 54 Abs. 1, 4, §§ 77, 105 Abs. 1, § 144 Abs. 3, § 159 Abs. 1, §§ 183, 193
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 17. Dezember 2015 abgeändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 8. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 5. März 2013 verurteilt, den Klägern für den September 2012 jeweils weitere Leistungen in Höhe von 52,53 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu einem Drittel zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer endgültigen Festsetzung (noch) über höhere Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II für die Monate August bis Oktober 2012.
Die Kläger standen seit Juni 2010 im Bezug von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum bewohnten sie eine etwa 45 Quadratmeter große Wohnung in der F.gasse in G. bei einer monatlichen Bruttowarmmiete von 283,16 Euro bzw. ab September 2012 i. H. v. 288,16 Euro. Der Kläger stand bei der R. AG / Betriebsstätte H. bei schwankendem Lohn und regelmäßigem Zufluss im gleichen Monat als Lagerarbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis. Ausnahmsweise erfolgte für den Monat Juli 2012 die Lohnzahlung anteilig im Juli und im Folgemonat August.
Auf den Fortzahlungsantrag vom Juni 2012 bewilligte der Beklagte unter dem 19. Juni 2012 für die Monate Juli bis Dezember 2012 vorläufig Leistungen i. H. v. 57,16 Euro. Grund für die Vorläufigkeit war das schwankende Einkommen des Klägers. Bei dem zu erwartenden Einkommen legte er ein um die Freibeträge bereinigtes, durchschnittliches Einkommen i. H. v. 900 Euro zugrunde.
Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein. Der Beklagte habe bei der vorläufigen Bewilligung das monatliche Durchschnittseinkommen des Klägers zu hoch angesetzt. Nach Erlass eines Änderungsbescheides vom 5. Juli 2012 für Juli 2012 half der Beklagte dem Widerspruch mit Änderungsbescheid vom 27. August 2012 ab. Bei der vorläufigen Bewilligung lehnte er sich nunmehr an den monatlichen Durchschnittslohn des vorangegangenen Bewilligungsabschnitts an und ermittelte so ein um die Freibeträge bereinigtes, durchschnittliches Einkommen i. H. von 730 Euro. Hieraus errechnete er für August 2012 einen Anspruch i. H. von 227,16 Euro, für September 2012 i. H. von 160,54 Euro und für die Monate Oktober bis Dezember 2012 i. H. von 232,16 Euro.
Nach Vorliegen der Lohnbescheinigungen des Klägers für Juli bis Dezember 2012 berechnete der Beklagte die Leistungen mit Bescheid vom 8. Januar 2013 neu. Bei der Berechnung legte er nunmehr ein um die Freibeträge bereinigtes monatliches Durchschnittseinkommen des Klägers i.H. von 710,12 Euro zugrunde. Für Juli bis August 2012 bewilligte er 247,04 Euro, für September 2012 180,42 Euro und für Oktober bis Dezember 2012 252,04 Euro. Für August bis Dezember 2012 ergab sich ein um 19,88 Euro höherer Anspruch; mithin lag die Nachzahlung bei 99,40 Euro.
Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein. Bei der endgültigen Festsetzung sei die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens nicht zulässig. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Die anschließende Klage hat das Sozialgericht Gotha nach vorheriger Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2015 abgewiesen. Die Bildung eines Durchschnittseinkommens sei nach § 2 AlgIIVO zulässig. Das Zuflussprinzip sei dadurch nicht beeinträchtigt. Die endgültige Festsetzung berühre nicht den Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens, sondern stelle eine Regelung zur Berechnung des Einkommens dar. Ausdrücklich habe der Verordnungsgeber die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei Selbständigen im Rahmen der endgültigen Festsetzung angeordnet. Es sei kein Grund ersichtlich, warum dies nicht bei Einkommen aus abhängiger Beschäftigung gelten solle.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger. Die Bildung ei...