rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeperson. elterliche Sorge. Vertretung. Angelegenheiten des täglichen Lebens. Eingliederungshilfe. teilstationäre Hilfe. Sozialhilferechts. Beschwerde nach § 123 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Die der Pflegeperson eingeräumte Rechtsmacht, für das in die Familienpflege aufgenommene Kind zu entscheiden und den Inhaber der elterlichen Sorge in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten, verleiht nicht die Rechtszuständigkeit, Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG zu beantragen, wenn durch Art und Umfang der Hilfe zugleich in erheblicher Weise die persönliche Entwicklung des Kindes bestimmt wird.
2. Einzelfall der Aufnahme eines Kleinkindes in eine teilstationäre Behinderteneinrichtung.
Orientierungssatz
bürgerliches Recht; Sozialrecht; Vertretungsmacht der Pflegeperson
Normenkette
BGB §§ 1626, 1630, 1632, 1666, 1666a, 1687-1688, 1909; SGB VIII §§ 27, 33, 35, 35a; BSHG §§ 39-40
Verfahrensgang
VG Gera (Beschluss vom 17.11.1999; Aktenzeichen 6 E 1576/99) |
VG Gera (Beschluss vom 08.10.1999; Aktenzeichen 6 E 1301/99) |
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 08. Oktober 1999 – 6 E 1301/99 GE – in seinem stattgebenden Teil und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 17. November 1999 – 6 E 1576/99 GE – werden aufgehoben.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt. Die Antragsteller haben die außergerichtlichen Kosten der erstinstanzlichen Verfahren jeweils hälftig zu tragen, soweit darüber nicht unanfechtbar entschieden ist. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Antragstellern ebenso anteilig zur Last; dazu gehören nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Art der Frühförderung des am … 1996 geborenen Kindes … H.. Die Antragsteller sind die Pflegeeltern von …, bei denen dieser seit dem 07. Mai 1997 lebt. Die Beigeladene ist dessen leibliche Mutter. Sie verfügt über das Sorgerecht für ihren Sohn. Das Kind leidet an einer Alkoholembryopathie. Es ist geistig und seelisch behindert; im Vordergrund steht seine geistige Behinderung. Ärztlicherseits wurde im Jahr 1998 die Notwendigkeit einer Frühförderung festgestellt.
Die Antragsteller sowie die Beigeladene beantragten im September 1998 die Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zur Durchführung einer ambulanten Frühförderung des Kindes. Im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die ambulante Frühförderung schlug der amtsärztliche Dienst Greiz durch Dipl.-Med. B. am 28. September 1998 als Behandlungsmaßnahmen „Physio- und Ergotherapie zur Verbesserung der Feinmotorik, allseitige Förderung, Sprachförderung, Training des Sozialverhaltens” in der Form der ambulanten Hilfe vor. Ein seinerzeit von einer ambulanten Frühförderstelle erstellter Förderplan sieht heilpädagogische Fördermaßnahmen zwei- bis dreimal wöchentlich bis zum Schuleintritt des Kindes vor. Der Antragsgegner äußerte sich mit Schreiben vom 19. Oktober 1998 zunächst ablehnend und verwies die Antragsteller auf physio- und ergotherapeutische Maßnahmen sowie auf eine Vorstellung bei einem Logopäden, ferner auf die Förderung und Erziehung durch die Pflegeeltern selbst und stellte für Anfang 1999 eine Förderung durch Aufnahme in einen integrativen Kindergarten in Aussicht.
Auf den Widerspruch der Antragsteller vom 23. Oktober 1998 gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 16. Dezember 1998 sowie mit Änderungsbescheid vom 10. Februar 1999 Eingliederungshilfe für das Pflegekind durch Übernahme der Kosten für eine wöchentliche Behandlungseinheit in einer ambulanten Frühförderstelle für den Zeitraum vom 01. Januar 1999 bis 31. August 1999. Für die Zukunft sei – so die Begründung im Bescheid vom 16. Dezember 1998 – auf Grund des Schädigungsumfangs eine ambulante Frühförderung nicht ausreichend, um die Entwicklungsrückstände des Kindes dauerhaft abbauen zu können. Ab Anfang September 1999 stehe für … ein Platz in einer teilstationären Frühfördereinrichtung – der Johanniter-Kindertagesstätte Weida – zur Verfügung.
Mit Formularschreiben vom 31. Mai 1999 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Weitergewährung von Eingliederungshilfe. Die Leiterin der Frühförderstelle empfahl in einem am 17. Juni 1999 erstellten Förderplan die Durchführung von wöchentlich zweimaligen Behandlungseinheiten zum Abbau des Entwicklungsrückstandes bei … H.. Mit Schreiben vom 11. August 1999 bat der Antragsteller zu 2. wegen des Auslaufens der ambulanten Frühförderung am 31. August 1999 erneut um Weiterbewilligung der Förderung. Das Kind sei nicht kindergartenfähig.
Zwischenzeitlich stellte die Beigeladene beim Amtsgericht Gera (Az.: 1 F 433/99) den Antrag auf Herausgabe des Kindes und begehrte den Erlass einer vorläufigen Anordnung mit dem Ziel der sofortigen Herausgabe. Mit Beschluss vom 23. August 1999 lehnte d...