Rz. 76
Mit § 1 Abs. 3 erweitert der Gesetzgeber in Abweichung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 den Kreis der Anspruchsberechtigten auf "im Rechtssinne (noch) nicht mit dem Kind verwandte Personen". Anspruchsbegründend wirkt im Falle des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 eine "rechtlich verfestigte Familienbeziehung." § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 regelt den Zeitraum bis zur Feststellung der Vaterschaft. Abs. 3 Satz 2 spezifiziert den für die Anspruchsprüfung maßgeblichen Zeitpunkt bei angenommenen und mit dem Ziel der Annahme aufgenommenen Kindern.
Rz. 77
§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 grenzt sich durch den Grad der rechtlichen Beziehung des Berechtigten zum Kind voneinander ab. Stets ist jedoch die Haushaltsgemeinschaft mit dem Kind erforderlich, für das Elterngeld in Anspruch genommen werden soll. Im Anwendungsbereich der Nr. 1 und 2 fordert das Gesetz darüber hinaus die Aufnahme des Kindes in den Haushalt des Berechtigten. Für das BSG setzt der Begriff der Haushaltsaufnahme das Bestehen einer Familiengemeinschaft voraus, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Die einzelnen Kriterien stehen dabei "in enger Beziehung zueinander und können sich auch teilweise überschneiden", wobei keines gänzlich fehlen darf.
Rz. 78
Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils ist notwendig
In diesem Kontext ist zu beachten, dass die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 3 alleine nicht ausreicht, um einem Antrag auf Bewilligung von Elterngeld zum Erfolg zu verhelfen.
Denn der Nichtsorgeberechtigte ist in den Fällen des § 4d Satz 2 bzw. § 5 Abs. 3 Satz 2 BEEG auf die Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils angewiesen.
4.1 Haushaltsgemeinschaft mit dem Ziel der Annahme als Kind (Nr. 1)
Rz. 79
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 unterfällt dem erweiterten Kreis der Anspruchsberechtigten zunächst, wer mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat. Hierbei handelt es sich um die Fälle der Adoptionspflege, die der eigentlichen Adoption nach §§ 1741 ff. BGB vorgeschaltet ist. Nach § 1744 BGB soll die Annahme i. d. R. erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 gewährleistet, dass auch während der sog. Probezeit ein Anspruch auf Elterngeld zusteht.
Rz. 80
Durch eine entsprechende Bescheinigung des Jugendamts kann der Nachweis bzgl. des Beginns der Adoptionspflege erbracht werden. Kommt es letztlich nicht zur Annahme als Kind, etwa weil der entsprechende Antrag abgelehnt wird (§ 1752 BGB), führt dies nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BEEG lediglich zum Anspruchswegfall für die Zukunft. Haben die leiblichen Eltern des sich in Adoptionspflege befindenden Kindes nach dessen Geburt bereits Elterngeld bezogen, steht dies einer nochmaligen Inanspruchnahme von Elterngeld durch die das Kind Annehmenden nicht entgegen.
Rz. 81
Hingegen haben Pflegeeltern, die ein Kind in Vollzeitpflege aufgenommen haben, ohne dass ihnen das Sorgerecht zusteht, keinen Anspruch auf Elterngeld. Dies wird als mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG für vereinbar erachtet, da der Gesetzgeber als Kriterium der Unterscheidung zum Personenkreis des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 das Vorliegen einer rechtlich verfestigten Familienbeziehung herangezogen hat, auch wenn Unterschiede in der persönlichen Bindung nicht bestehen sollten. Denn die Adoptionsbereitschaft stellt wegen der auf Dauer angelegten Familienbeziehung ein sachliches Unterscheidungskriterium für den Bezug von Elterngeld dar. Darüber, ob Gleiches gilt, wenn den Pflegeeltern die volle Personensorge zusteht, hatte das Gericht in dem entschiedenen Fall nicht zu befinden.
4.2 Aufnahme von Kindern des/der Ehegatten/-in (Nr. 2)
Rz. 82
Daneben wird Elterngeld nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 demjenigen gewährt, der ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat.