Zusammenfassung
Als Untätigkeitsklage wird die Verpflichtungsklage bezeichnet, wenn mit ihr der Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes angestrebt wird. Bei dem unterlassenen Verwaltungsakt kann es sich um einen (Erst-)Bescheid oder um einen Widerspruchsbescheid handeln.
Sozialversicherung: Die zentralen Vorschriften für eine Untätigkeitsklage in einem sozialgerichtlichen Verfahren befinden sich in §§ 54 Abs. 1 und 2, 88 SGG.
1 Zulässigkeit
1.1 Zuständigkeit
Liegt eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit der Sozialversicherung zugrunde, die den Weg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet, ist in der 1. Instanz das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zurzeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz hat.
1.2 Klageziel/-begehren
Die Untätigkeitsklage richtet sich auf die durch Tenor ausgesprochene Verpflichtung/Verurteilung zum Erlass eines bis dato nicht erlassenen Verwaltungsaktes, der ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden wurde. Gleiches gilt, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden wurde.
1.3 Untätigkeit
Die Untätigkeit der Verwaltung darf nicht auf einen relevanten Grund zurückzuführen sein.
Ob die Verwaltung "ohne zureichenden Grund" über den Erlass eines Verwaltungsaktes bzw. Widerspruchs nicht entschieden hat, ist eine Frage des Einzelfalls.
Hält die Behörde beispielsweise einen Widerspruch für "verfehlt", ist dies allein kein zureichender Grund, um von einer Widerspruchsentscheidung abzusehen. Umfangreiche Ermittlungen, die den Erlass infolge der Aufklärung verzögern, können hingegen einen zureichenden Grund darstellen. Dies gilt hingegen nicht für Verzögerungen aufgrund von Personalmangel.
1.4 Wartefrist
Richtet sich die Untätigkeitsklage auf die Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes, ist sie nicht sofort zulässig, sondern erst nach Ablauf von 6 Monaten seit Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist , so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus.
Wenn es sich um einen Widerspruch handelt, über den ohne zureichenden Grund noch nicht entschieden wurde, gilt eine Wartefrist von 3 Monaten als angemessen.
1.5 Beschwer
Der Kläger muss durch die Untätigkeit der Verwaltung beschwert sein. Dies ist er dann, wenn die Unterlassung des Verwaltungsaktes bzw. die Nichtbescheidung über einen Widerspruch rechtswidrig ist.
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Gesetz ein Widerspruchsverfahren vorschreibt und die Behörde keinen Widerspruchsbescheid erlässt. Wenn das Gesetz die Durchführung des Widerspruchsverfahrens vorschreibt, steht dem Kläger grundsätzlich auch ein Anspruch auf Bescheidung zu. Etwas anderes gilt allenfalls in extrem seltenen Ausnahmefällen missbräuchlicher Rechtsverfolgung.
Rechtswidrig ist die Unterlassung beispielsweise auch bei Ermessensfehlgebrauch.
2 Begründetheit
Die Untätigkeitsklage ist begründet, wenn der Kläger ohne zureichenden Grund sachlich nicht beschieden worden ist, die zuständige Behörde mithin keine abschließende Entscheidung zur Hauptsache getroffen hat. Eine vorläufige Entscheidung genügt nicht.
Nicht entscheidend ist, ob der Betreffende tatsächlich einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes hatte und ob der beantragte Bescheid für ihn materiell-rechtliche Auswirkungen haben kann bzw. welche Rechtswirkungen sich ergeben können. Er hat auf jeden Fall Anspruch auf Erlass eines Bescheides.
Die Untätigkeitsklage kann auch dann erhoben werden, wenn sich der jeweilige Leistungsträger ausdrücklich geweigert hat, den Verwaltungsakt zu erlassen.
Der Leistungsträger kann nach der vorliegenden Rechtsprechung auch nicht darauf verweisen, dass der Antragssteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist. U. U. muss der Leistungsträger sich die notwendigen Angaben selbst beschaffen oder einen Ablehnungsbescheid erlassen.
3 Wirkung/Tenor
Mit der erfolgreichen Untätigkeitsklage wird die Behörde zum Erlass des unterlassenen Verwaltungsaktes verurteilt. Stellt sich heraus, dass die Behörde einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte, setzt das Gericht das Verfahren aus bis zum Ablauf einer von dem Gericht gesetzten Frist. Diese Frist kann verlängert werden. Wird dem Antrag stattgegeben innerhalb der gesetzten Frist, ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
Es besteht die Möglichkeit der Änderung des Klageantrags.
Es besteht daneben – bei Vorliegen der Voraussetzungen – auch die Möglichkeit auf einstweiligen Rechtsschutz durch Erlass einstweiliger Anordnungen seitens des Gerichts der Hauptsache.
Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG
Das BSG hat in einer Entscheidung vom 10.10.2017 ausgeführt, dass auch Untätigkei...