Leitsatz (amtlich)
Wird eine Empfängerin von Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz Mutter und benötigen Mutter und Kind wegen der geistig/seelischen Behinderung der Mutter Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Säuglings in einer stationären Einrichtung, besitzt die behinderte Mutter regelmäßig einen Anspruch auf Förderung nach § 19 SGB VIII. Ein Anspruch auf unbenannte Hilfe nach § 27 SGB VIII tritt dahinter zurück.
Tatbestand
Der Kläger zu 1) (im folgenden: Kläger) ist am … 2003 geboren worden und lebt mit seiner Mutter, der Klägerin zu 2), seit dem 2. 8. 2003 in einer Mutter- und -Kindeinrichtung im Bereich der Beigeladenen. Seine Mutter ist ein behinderter Mensch im Sinne von § 39 BSHG (§ 53 SGB XII); sie lebte zuvor im Bereich der Beklagten und erhielt ambulante Hilfe nach § 39 BSHG in der eigenen Wohnung. Vor der Niederkunft wurde sie in Zuständigkeit der Beklagten und auf deren Kosten (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG = § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) am 9. 7. 2003 in der erwähnten Einrichtung aufgenommen. Die örtliche Zuständigkeit für die Kosten der Unterbringung des Klägers in der Einrichtung ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Beklagte (Bezirksamt Hamburg-Nord als Sozialhilfeträger) hatte unter dem 25. 6. 2003 der Einrichtung gegenüber bestätigt, dass „die Kosten für die Aufnahme in der Mutter- und Kindeinrichtung dem Grunde nach unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen für Mutter und Kind bewilligt” werden. Die Behörde für Soziales und Familie der Beklagten (als überörtlicher Träger der Sozialhilfe) hielt eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für dem Kläger zu gewährende Hilfe indes nicht für gegeben und verwies ihn an das zuständige Jugendamt „letzter Wohnsitz der Mutter in Hamburg” – so das Schreiben vom 16. 10. 2003). Den daraufhin dort gestellten Antrag lehnte die Beklagte (als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe) durch Bescheid vom 18. 12. 2003 ab: Die Vorschriften des § 97 Abs. 2 BSHG kämen nur für Sozialhilfeleistungen in Betracht. Für den Kläger würden indes Jugendhilfeleistungen benötigt. Insoweit richte sich die örtliche Zuständigkeit nach den Vorschriften des SGB VIII. Da eine Hilfe nach § 19 SGB VIII ausscheide und somit § 86 b SGB VIII nicht einschlägig sei, richte sich die örtliche Zuständigkeit für etwaige andere Jugendhilfeleistungen nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter, der bereits vor der Geburt des Klägers im Bereich der Beklagten begründet worden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch: Die Leistungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich bereits aus dem Bescheid vom 25. 6. 2003. Im übrigen sei auf die Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 4 BSHG zu verweisen. Diese Vorschrift sei anwendbar, weil der Kläger allein wegen der Behinderung seiner Mutter heimbedürftig sei. Letztlich sei die Beklagte nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. nach § 86 d SGB VIII oder auch nach § 43 SGB I vorläufig zur Leistung verpflichteter Sozialleistungsträger.
Durch Widerspruchsbescheid vom 1. 12. 2004 wies die Beklagte (Bezirksamt Hamburg-Nord) den Widerspruch zurück: Der Kläger begehre Jugendhilfeleistungen, so dass das Schreiben vom 25. 6. 2003 nicht entscheidend sei. Eine Hilfe nach § 19 SGB VIII komme vorliegend nicht in Betracht, da die Mutter des Klägers auf Grund ihrer Behinderung auch in Zukunft nicht in der Lage sein werde, ihr Kind eigenverantwortlich zu erziehen. Somit seien die fachlichen Voraussetzungen für dies Hilfeart nicht gegeben. Auch § 34 SGB VIII komme nicht zur Anwendung, da Mutter und Kind zusammen lebten. Eine vorläufige Kostenübernahme scheide aus, weil im vorliegenden Fall die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter nicht zweifelhaft sei.
Gegen die ablehnenden Bescheide hat der Kläger Klage erhoben. Er verweist noch einmal auf die Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 4 BSHG und vertritt die Ansicht, dass Jugendhilfeleistungen vorliegend nicht einschlägig seien. Gegebenenfalls sei § 86 b SGB VIII analog anzuwenden. Schließlich sei auf jeden Fall die Beklagte nach § 43 SGB I vorläufig leistungsverpflichteter Träger.
Der Kläger beantragt,
die ablehnenden Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten die Kosten für die Unterbringung des Klägers ab dem 2. 8. 2003 zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladene hält die Klage für begründet und meint, im Falle der Anwendung von § 19 SGB VIII sei die Beklagte nach § 86 b SGB VIII örtlich zuständig. Sei indes Sozialhilfe zu gewähren, komme § 97 Abs. 2 BSHG zur Anwendung, wonach die Beklagte ebenfalls zuständiger Träger sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt. Die Beigeladene hat diese Erklärung in der mündlichen Verhandlung abgegeben.
Die Verwaltungsakte der Beklagten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Das Gericht entscheidet vorlieg...