Normenkette
SGB VIII §§ 35a, 36, 36a
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom …. August 2006 und der Widerspruchsbescheid der Regierung … … vom …. Mai 2007 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Jugendhilfe in Form der Übernahme des Schulgeldes (einschließlich Nachmittagsbetreuung) für das Schuljahr 2006/2007 zu gewähren.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Bei dem am … … 1996 geborenen Kläger wurde anfangs der 3. Klasse Grundschule (2004/2005) eine schwere Lese- und Rechtschreibstörung festgestellt. Nach einem Attest zur Bescheinigung einer Lese- und Rechtschreibstörung vom …. Dezember 2004 des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. P… lag bei einem Gesamt-IQ von 112 hinsichtlich der Rechtschreibung ein Prozentrang von 6,2 bzw. eine T-Wert-Differenz von 23 Punkten und hinsichtlich der Leseleistung bezüglich der Lesezeit ein mittlerer Prozentrang von 20, bezüglich der Fehlerzahl ein mittlerer Prozentrang von 8 sowie eine T-Wert-Differenz hierzu von 17 Punkten bzw. 22 Punkten vor. Die kinderpsychiatrische Stellungnahme desselben Arztes vom 1. Dezember 2004 kommt zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger aufgrund seines legastheniebedingten Versagens in der Schule zu deutlichen Überforderungsängsten mit zunehmenden Leistungsblockaden und einer Regression in kleinkindliche Bedürfnisse gekommen sei. Er sei dem Personenkreis nach § 35a SGB VIII zuzuordnen und es wäre dringend eine Legasthenietherapie zu empfehlen. Der Kläger wurde daraufhin ab Anfang 2005 von einem Psychotherapeuten behandelt, der gleichzeitig eine Legasthenietherapie durchführte. Weiterhin wurden schulisch seine Lese- und Rechtschreibleistungen nicht bewertet.
Am …. März 2005 sprach die Mutter des Klägers beim Sozialbürgerhaus des Beklagten vor, und fragte wegen eines Zuschusses für eine Legasthenietherapie nach. Der Kläger wolle seit Freitag nicht mehr zu dem behandelnden Psychologen gehen. Nach dem Aktenvermerk über diese Vorsprache wurde der Mutter des Klägers mitgeteilt, dass keinesfalls ärztliche Leistungen gezahlt werden dürften und dass frühestens ab sofort geleistet werden könne.
Am …. August 2005 wandte sich die Mutter des Klägers erneut an das Sozialbürgerhaus des Beklagten und beantragte eine heilpädagogische Hausaufgabenhilfe. Sie wurde darauf hingewiesen, dass nach der Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie eine Legasthenietherapie empfohlen werde. Nach einer Stellungnahme des Referates für Gesundheit und Umwelt der Beklagten vom …. Januar 2006 aufgrund einer Anfrage des Sozialbürgerhauses der Beklagten vom …. September 2005 bestätigte eine Testung des Klägers dessen Lese- und Rechtschreibstörung. Der Kläger erzielte danach hinsichtlich der Lesezeit als auch der Fehlerzahl weit unterdurchschnittliche Ergebnisse (T-Wert-Differenz zwischen Intelligenz- und Rechtschreibleistung 30). Weiterhin habe die durchgeführte Persönlichkeitsdiagnostik, Verhaltensbeobachtung und Exploration gezeigt, dass sich beim Kläger infolge seiner Legasthenie bereits sekundäre Störungen in Form eines schwachen Selbstwerterlebens mit schul- und leistungsbezogenen Ängsten entwickelt hätten. Er neige zu psychosomatischen Reaktionsweisen (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Einschlafstörungen), die nicht während der Ferien- und Freizeiten aufträten. Eine Legasthenietherapie oder Funktionshilfe sei dringend zu empfehlen. Zusätzlich werde aufgrund der ausgeprägten emotionalen Problematik eine Psychotherapie empfohlen. Mit Bescheid vom …. April 2006 bewilligte daraufhin die Beklagte Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten eine “Funktionshilfe” für den Kläger im Forum Legasthenie im S…-Schulzentrum ab …. Februar 2006 für maximal 72 Förderstunden zu je 45 Minuten von je 13,50 € pro Gruppenstunde im Zeitraum eines Jahres.
Am …. Mai 2006 teilte die Mutter des Klägers telefonisch dem Sozialbürgerhaus der Beklagten mit, sie wolle Antrag auf Kostenübernahme für die der private S…-Realschule stellen. Der Kläger solle ab Herbst in diese private sechsstufige Realschule wechseln. Im Übertrittszeugnis war der Kläger dahingehend beurteilt worden, dass er bei einer Gesamtdurchschnittsnote aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht von 3,0 (Mathematik 4, Deutsch 3, Heimat- und Sachunterricht 2) für die Hauptschule geeignet sei. Im pädagogischen Wortgutachten wird der Kläger als fröhlich, aufgeschlossen und kontaktfreudig beschrieben, wobei seine Ablenkungsbereitschaft groß sei. Bei der Anwendung und Umsetzung grammatischer Fachbegriffe habe er Schwierigkeiten. Im bearbeiteten Zahlenraum bewege er sich teils unsicher und bei Sachaufgaben brauche er Unterstützung. Rechtschreibleistungen seien nicht berücksichtigt word...