Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Abschluss von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII über Leistungen der sozialpädagogischen Familienhilfe nach § 31 SGB VIII auf der Grundlage des vom Antragsgegner am 31. Januar 2004 bekannt gemachten Vergabeverfahrens nach VOL/A zu unterlassen, bis das erstinstanzliche Verfahren der binnen eines Monats nach rechtskräftigem Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu erhebenden Klage in der Hauptsache abgeschlossen ist;
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte.
Gründe
Der Antrag der Antragsteller,
- den Abschluss von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII hinsichtlich der „öffentlichen Ausschreibung der Leistungen nach § 31 SGB VIII” im Kreis Steinfurt (ohne die Städte Rheine, Ibbenbüren, Emsdetten und Greven) zu unterlassen, bis das erstinstanzliche Verfahren der binnen eines Monats nach rechtskräftigem Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu erhebenden Klage in der Hauptsache abgeschlossen ist,
- hilfsweise Vereinbarungsabschlüsse gem. Ziff. 1 a) mit Dritten nur dann vorzunehmen, wenn auch mit der Antragstellerin eine Vereinbarung abgeschlossen wurde;
- Über den Abschluss einer vorläufigen Vereinbarung nach § 77 SGB VIII in pflichtgemäßer Ermessensausübung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden;
- Verhandlungen über die Vergütungshöhe nach § 77 SGB VIII aufzunehmen
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben, da das mit den Antrag verfolgte Begehren eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit darstellt. Mit dem Antrag zu 1. machen die Antragsteller einen auf die Verletzung ihres Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII gestützten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Für die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, ist maßgeblich, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird, dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Bei der Vereinbarung nach § 77 SGB VIII handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. SGB X, weil die Befugnis des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe der Kosten durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgeprägt ist.
Vgl. dazu im Einzelnen: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. September 1993 – 5 C 41/91 –, BVerwGE 94, 202 = NDV 1994, 197, = FEVS 44, 353; BGH, Urteil vom 12. November 1991 – KZR 22/90 –, NJW 1992, 1237.
Der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg ist auch nicht gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO wegen einer abdrängenden Sonderzuweisung zu den Vergabekammern gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ausgeschlossen. Danach können Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftragsgeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, außer vor den Vergabeprüfstellen nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit geltend gemacht werden. Der Rechtsweg nach § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB ist jedoch nur gegeben, wenn das Verfahren auf die Feststellung einer Rechtsverletzung in einem Vergabeverfahren gerichtet ist.
Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Mai 2002 –, Verg 6/02, NZBau 2002, 583.
Im vorliegenden Verfahren geht es den Antragstellern jedoch nicht um die Einhaltung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 7 GWB oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren. Vielmehr begehren sie – gestützt auf das SGB VIII – die Unterlassung der Durchführung des Vergabeverfahrens als solchem. Den Antragstellern geht es vielmehr darum, Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII jederzeit und je nach konkreter Situation mit den öffentlichen Trägern abschließen zu können, was nur möglich ist, wenn nicht im Vergabeverfahren andere Bieter den Zuschlag und damit entsprechende Vereinbarungsabschlüsse erhalten mit der Folge des Ausschlusses sonstiger Anbieter bis mindestens zum Ablauf des Jahres 2007.
Der Antrag ist auch teilweise begründet. Die Antragsteller haben hinsichtlich des Antrags zu 1) sowohl das Vorliegen eines Anordnungsgrundes als auch eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Anspruch auf Unterlassung einer mit Ausschließlichkeitszusage erfolgenden Vergabe von Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII ist für die Antragsteller gegeben, da die Voraussetzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs vorliegen. Durch die hoheitliche Maßnahme der Vergabe von Vereinbarungsabschlüssen nach § 77 SGB VIII im Wege des vom Antragsgegner betriebenen Vergabeverfahrens wird rechtswidrig in subjektive Rechte der Antragsteller,...