rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinder- und Jugendhilfe. Hilfe zur Erziehung. Vollzeitpflege. Pflegegeld. Pflegeperson, Eignung der Kindeswohl. Gewährung von Pflegegeld. Antrag auf Zulassung der Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Ergeben sich Gründe, welche gegen die ursprüngliche oder gegen die fortdauernde Eignung der Pflegeperson sprechen, so muss der Jugendhilfeträger prüfen, ob das Pflegeverhältnis beendet und das Kind oder der Jugendliche einer anderen Pflegeperson anvertraut werden soll. Er kann indes nicht das Pflegeverhältnis bestehen lassen und lediglich die künftige Zahlung von Pflegegeld verweigern.

 

Normenkette

SGB VIII §§ 27, 33, 37 Abs. 3, §§ 39, 44

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Urteil vom 17.03.2003; Aktenzeichen 8 K 2626/02)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. März 2003 – 8 K 2626/02 – wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Personensorgeberechtigten für die Kläger ab September 2001 Hilfe zur Erziehung durch Zahlung von Pflegegeld nach § 39 SGB VIII für die Vollzeitpflege zu gewähren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

1. Vorab ist klarzustellen:

a) Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, „der Personensorgeberechtigten” für die Kläger Hilfe zur Erziehung zu gewähren. Richtig hätte es heißen müssen: „dem Personensorgeberechtigten”. Personensorgeberechtigt ist vermöge der Anordnung des Notariats IV Schwäbisch Hall vom 02.03.2000 das Landratsamt – Kreisjugendamt – als Amtsvormund (§§ 1773, 1774, 1791b BGB). Daran ändert nichts, dass das Kreisjugendamt die Ausübung der Aufgaben einer Mitarbeiterin übertragen hat; von Rechts wegen bleibt das Landratsamt – Kreisjugendamt – als solches Amtsvormund. Das ergibt sich aus § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII; § 55 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII ist insofern missverständlich (Wagenitz in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2002, Rdnr. 10 zu § 1791b; Strick ebd., Rdnr. 9 zu § 55 SGB VIII).

Tatsächlich steht der geltend gemachte Anspruch auf Hilfe zur Erziehung dem Personensorgeberechtigten zu (§§ 27, 33, 39 SGB VIII). Grundsätzlich müsste dieser daher selbst als Kläger auftreten. Dem steht hier jedoch die Bestellung einer Pflegerin entgegen (§ 1794 BGB). Die Pflegschaft umfasst freilich nicht das Personensorgerecht als solches, sondern ausweislich der Bestallungsurkunde vom 18.03.2002 ausdrücklich nur die Vertretung der Kinder im Verfahren wegen der vorliegend streitigen Vollzeitpflege. Sie lässt damit die Anspruchsinhaberschaft des Amtsvormunds als solche unberührt, hindert den Amtsvormund jedoch daran, den Anspruch – selbst oder vermittels eines gewillkürten Vertreters – geltend zu machen. Als Kläger sind daher die Kinder selbst, gesetzlich vertreten durch die bestellte Pflegerin, anzusehen; sie klagen auf Gewährung der Vollzeitpflege zugunsten des personensorgeberechtigten Amtsvormunds. Das Rubrum war entsprechend zu berichtigen.

b) Ferner hat das Verwaltungsgericht den Beklagten dazu verpflichtet, für die Kläger „Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege durch ihre Großeltern Sch. zu gewähren”. Richtig hätte es heißen müssen: „Hilfe zur Erziehung durch Zahlung von Pflegegeld nach § 39 SGB VIII für die Vollzeitpflege zu gewähren”. Die Klage zielt auf Pflegegeld für die Vollzeitpflege, nicht jedoch auf Vollzeitpflege gerade durch die Großeltern. So haben die Kläger in ihrer Klageschrift den Antrag angekündigt, ihnen „Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 33 SGB VIII zu gewähren in Form von Pflegegeld”, und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben sie beantragt, den Beklagten zu verpflichten, „Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege durch die Großeltern Sch. unter Übernahme der Pflegekosten zu gewähren”. Dementsprechend hatte der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden die Zahlung des zuvor gewährten Pflegegeldes eingestellt. Die Frage der Eignung der Großeltern als Pflegepersonen bildete lediglich den Grund für die Einstellung und betrifft im Rechtsstreit daher lediglich eine Vorfrage. Das hat das Verwaltungsgericht im übrigen selbst nicht anders gesehen, wie aus der Begründung seines Urteils deutlich wird.

2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil begegnet nicht den vom Beklagten angeführten Richtigkeitszweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Das angefochtene Urteil geht davon aus, dass der Personensorgeberechtigte dem Grunde nach Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in der Form der Vollzeitpflege hat (§ 27 Abs. 1 und 2, § 33 SGB VIII). Das ist im Ansatz zweifelsfrei richtig: Die Herkunftsfamilie der Kläger ist nicht mehr vorhanden, und der personensorgeberechtigte Amtsvormund ist außerstande, eine ihrem Wohl entsprechende Erziehung selbst zu gewährleisten. Ferner ist Vollzeitpflege die nach dem Alter und dem Entwicklungsstand der Kläger für ihre Entwicklung geeignete und notwendige Hilfeart. Hiergegen brin...

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