Bundesregierung verschärft Regeln beim Bürgergeld
Die Bundesregierung verschärft die Regeln für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger. Bei Ablehnung einer Arbeit müssen sie bald mit höheren Strafen rechnen. Das Bundeskabinett brachte einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, wer nicht mitziehe oder durch Schwarzarbeit betrüge, «muss mit härteren Konsequenzen rechnen». Die Änderungen sollen im üblichen Gesetzgebungsverfahren vom Bundestag beschlossen werden und zum Jahreswechsel in Kraft treten.
Heil: «Vermittlung bleibt der Kern»
Wer etwa eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, muss künftig sofort mit einer 30 Prozent betragenden Kürzung der Grundsicherung für drei Monate rechnen. Wer Termine im Jobcenter ohne Grund nicht wahrnimmt, soll eine Leistungsminderung von 30 Prozent statt bisher 10 Prozent für einen Monat erhalten. Auch wer Bürgergeld bezieht und Schwarzarbeit geleistet hat, muss eine Leistungsminderung in Kauf nehmen. Die Jobcenter sollen verpflichtet werden, einen Verdacht auf Schwarzarbeit an die Zollverwaltung zu melden. Heils Entwurf soll die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der geplanten Wachstumsinitiative der Koalition umsetzen.
Ziel ist laut Ministerium «mehr Verbindlichkeit, mehr Arbeitsmarktintegrationen und mehr Fairness im Sozialstaat». «Vermittlung und Qualifizierung bleiben Kern des Bürgergelds, um Menschen in Arbeit zu bringen», betonte Heil.
Vermögen wird nur noch sechs Monate geschont
Zudem sollen künftig jene mit höheren Vermögen dieses grundsätzlich für den eigenen Lebensunterhalt einsetzen. Die Karenzzeit, in der Vermögen nicht angetastet wird, soll daher von zwölf auf sechs Monate verkürzt werden. Mit einer Anschubfinanzierung sollen zudem Langzeitarbeitslose bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung unterstützt werden, wenn es ihnen gelingt, durch die Beschäftigungsaufnahme den Bürgergeldbezug nachhaltig zu verlassen.
Bis zu drei Stunden Pendeln zumutbar
Um manche Arbeitsangebote nicht von vornherein auszuschließen, sollen zudem weiter entfernte Arbeitsstellen als zumutbar gelten. Bei einer täglichen Arbeitszeit bis zu sechs Stunden sollen 2,5 Stunden Pendelzeit grundsätzlich zumutbar sein und bei mehr als sechs Stunden Arbeitszeit bis zu drei Stunden Pendelei. Für Pflegende und Erziehende sollen Ausnahmen gelten.
Viele Ukrainer noch ohne Deutsch
Für Geflüchtete soll mit dem Integrationspraktikum ein neues Förderinstrument eingeführt werden.
Arbeitgeber können künftig auch einen Zuschuss erhalten, wenn sie Geflüchteten bei erschwerter Beschäftigungsaufnahme Einstellungschancen bieten und sie dann zur Teilnahme an einem Berufssprachkurs freistellen. Hintergrund sind vor allem die vielen Ukrainerinnen und Ukrainer im Bürgergeld. Mit dem «Job-Turbo» soll die Einstellung der Geflüchteten beschleunigt werden. Doch viele Arbeitgeber erwarten zumindest grundlegende Deutschkenntnisse bei den Betroffenen.
Erst am Montag (30.9.2024) hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekanntgegeben, dass die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine mit Job in Deutschland auf 266.000 angewachsen sei. Das sei ein Plus von 71.000 bis Juli im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern seien es 704.000 in Beschäftigung, was zufällig ebenfalls ein Plus von 71.000 im Vergleich zum Vorjahr ausmache.
Genehmigung auch ohne Stempel
Auch rechtlich soll die Einstellung von Geflüchteten mit Duldung erleichtert werden: Eine Beschäftigungserlaubnis durch die oft überlasteten Ausländerbehörden soll unter Umständen auch ohne Stempel als genehmigt gelten.
Kritik von Union und Sozialverband
Die Union kritisiert das Bürgergeld schon seit längerem. CDU-Chef Friedrich Merz monierte in einem Gastbeitrag im «Handelsblatt»: «Es bestraft die, die jeden Tag anpacken, kostet Milliarden und sendet falsche Signale in den Arbeitsmarkt». Das Bürgergeld müsse ersetzt werden durch eine «Neue Grundsicherung», die Hilfe für jene sichere, die tatsächlich hilfsbedürftig seien, schrieb Merz, der die Union in den Bundestagswahlkampf führen soll.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) warnte hingegen vor Stigmatisierung der Bürgergeldempfänger durch die neuen Regeln. «In der Vergangenheit ist es immer wieder zu teilweise üblen Verallgemeinerungen in Bezug auf die mangelnde Mitwirkung von Bürgergeldbeziehenden gekommen», sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier der dpa. Dieses pauschale Bild stimme einfach nicht. Selbstverständlich müsse unsolidarischer Sozialbetrug verfolgt und verhindert werden. «Es muss aber klar sein, dass sich die große Mehrheit der Bürgergeldbezieher an die gesetzlichen Rahmenbedingungen hält.»
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