Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei Vermietungseinkünften
Muss ein Vermieter nach dem Verkauf eines Mietobjekts weiterhin ein "stehengebliebenes" Darlehen bedienen, mit dem er ursprünglich die Anschaffungskosten oder Erhaltungsaufwendungen der veräußerten Immobilie finanziert hat, können die fortlaufenden Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften absetzbar sein.
Darstellung der neueren BFH-Rechtsprechung
In der jüngeren Vergangenheit hat der BFH in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, in welchen Fällen ein nachträglicher Schuldzinsenabzug bei den Vermietungseinkünften möglich ist:
Steuerbare Grundstücksveräußerung
Mit Urteil vom 20.6.2012 (IX R 67/10, BStBl. 2013 II S. 275) hat das Gericht in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass Schuldzinsen für Anschaffungsdarlehen eines Mietobjekts als nachträgliche Werbungskosten absetzbar sind, auch wenn der Verkauf des Hauses bzw. der Wohnung ein privates Veräußerungsgeschäft ist (Verkauf innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist). Der Abzug ist nach dem Urteil jedoch nur möglich, soweit der Veräußerungserlös nicht zur Darlehenstilgung ausreichte (Grundsatz der vorrangigen Schuldentilgung).
Nicht steuerbare Grundstücksveräußerung
Ein nachträglicher Schuldzinsenabzug bei den Vermietungseinkünften ist nach dem BFH-Urteil vom 8.4.2014 (IX R 45/13, BStBl. 2015 II, S. XX) auch dann möglich, wenn der Verkauf des Mietobjekts kein privates Veräußerungsgeschäft ist, der Verkauf also nach Ablauf der 10-jährigen Spekulationsfrist erfolgt ist. Für den nachträglichen Werbungskostenabzug ist dann aber relevant, wie der Veräußerungserlös verwendet wurde:
- Wurde der Erlös für die Anschaffung einer neuen Einkunftsquelle (z. B. eines neuen Mietobjekts) genutzt, steht das Darlehen in einem neuen Veranlassungszusammenhang mit eben dieser Einkunftsquelle, sodass ein Kostenabzug bei ihr möglich ist.
- Schafft der Vermieter mit dem Erlös keine neue Einkunftsquelle an, gilt wieder der Grundsatz der vorrangigen Schuldentilgung. Es muss also betrachtet werden, ob der Erlös zur Schuldentilgung ausgereicht hätte. Nur die Schuldzinsen für den nicht tilgbaren Darlehensteil sind weiterhin abzugsfähig.
Entfallene Einkunftserzielungsabsicht
Mit Urteil vom 21.1.2014 (IX R 37/12, BStBl. 2015 II, S. XX) hat der BFH einen nachträglichen Schuldzinsenabzug für den Fall ausgeschlossen, dass die Einkunftserzielungsabsicht des Vermieters bereits vor der Veräußerung des Mietobjekts entfallen ist (z. B. wegen Selbstnutzung vor dem Verkauf). In diesem Fall nimmt das Gericht keinen fortdauernden Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit früheren Vermietungseinkünften mehr an.
Abzug von Vorfälligkeitsentschädigungen
Zahlt ein Vermieter eine Vorfälligkeitsentschädigung für die vorzeitige Ablösung einer Darlehensschuld, damit er sein Mietobjekt lastenfrei veräußern kann, darf er diesen Aufwand nach dem BFH-Urteil vom 11.2.2014 (IX R 42/13, BStBl. 2015 II, S. XX) nicht „ersatzweise“ als Werbungskosten abziehen, wenn die Veräußerung kein privates Veräußerungsgeschäft ist (und somit ein dortiger Ansatz als Veräußerungskosten ausgeschlossen ist). Mit dieser Entscheidung gab der BFH seine bisherige Rechtsmeinung auf, nach der Vorfälligkeitsentschädigungen ausnahmsweise als Finanzierungskosten (Werbungskosten) abzugsfähig sein können.
Neue Aussagen der Finanzverwaltung
Die zitierten Entscheidungen des BFH werden oder wurden allesamt im Bundessteuerblatt II veröffentlicht, sodass sie allgemein von der Finanzverwaltung angewandt werden. Mit Schreiben vom 27.7.2015 hat das BMF gleichwohl folgende flankierende Aussagen zur Anwendung der neueren Rechtsprechungsgrundsätze getroffen:
Schuldzinsen für Anschaffungs-/Herstellungsdarlehen
Ob Schuldzinsen für Anschaffungs-/Herstellungsdarlehen nach dem Grundstücksverkauf als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden können, richtet sich nach dem Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung:
Veräußerung nach dem 31.12.1998
Hat die Grundstücksveräußerung nach dem 31.12.1998 stattgefunden, darf ein nachträglicher Werbungskostenabzug nach der Verwaltungsmeinung erfolgen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös hätten getilgt werden können.
Hinweis: Der Grundsatz der vorrangigen Schuldentilgung gilt nach Ansicht des BMF jedoch so lange nicht, wie eine Tilgung aufgrund von Rückzahlungs- oder Auszahlungshindernissen (letztere bezogen auf den Veräußerungserlös) ausgeschlossen ist.
Wie vom BFH bereits im Urteil vom 21.1.2014 (a.a.O.) formuliert, lässt die Finanzverwaltung einen nachträglichen Schuldzinsenabzug ebenfalls nur zu, wenn der Vermieter seine Einkunftserzielungsabsicht bis zur Grundstücksveräußerung beibehalten hat.
Neu ist die Aussage des BMF, dass es für einen nachträglichen Werbungskostenabzug (in Verkaufsfällen ab 1999) nicht mehr darauf ankommt, ob der Grundstücksverkauf ein privates Veräußerungsgeschäft ist oder nicht.
Hinweis: Bislang hatte das BMF noch den Standpunkt vertreten, dass ein nachträglicher Werbungskostenabzug bei nicht steuerbaren Immobilienveräußerungen (Ablauf der 10-Jahresfrist) ausgeschlossen ist (BMF, Schreiben v. 28.3.2013, BStBl. 2013 I, S. 508). Die Öffnung der Verwaltung in dieser Frage beruht auf dem BFH-Urteil vom 8.4.2014 (a.a.O.).
Die vorgenannten Rechtsgrundsätze gelten auch bei Schuldzinsen für Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen, soweit diese Darlehen nicht über den abzulösenden Darlehensbetrag hinausgehen und sich im Rahmen einer üblichen Finanzierung bewegen.
Veräußerung vor dem 1.1.1999
Bei Grundstücksveräußerungen vor dem 1.1.1999 dürfen Schuldzinsen nach dem Verkauf nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden. In diesem Fall greifen noch die alten Rechtsprechungsgrundsätze aus dem BFH-Urteil vom 12.11.1991 (IX R 15/90, BStBl. 1992 II, S. 289), wonach Schuldzinsen nach dem Verkauf nicht mehr in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Vermietungseinkünften stehen, sondern Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung im privaten Vermögensbereich sind.
Hinweis: Dieser Altfallregelung ist nicht neu, sondern wurde vom BMF bereits im Schreiben vom 28.3.2013 (a.a.O.) vertreten.
Abzug von Vorfälligkeitsentschädigungen
Das BMF weist weiter darauf hin, dass Vorfälligkeitsentschädigungen sich aus dem bisherigen Zusammenhang zwischen Darlehen und Vermietungstätigkeit herauslösen und in einen neuen – durch die Veräußerung verursachten – Veranlassungszusammenhang treten. Aufgrund dieses neuen Zusammenhangs dürfen Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden.
Hinweis: Entsprechende Zahlungen sind nur im Fall eines privaten Veräußerungsgeschäfts als Veräußerungskosten abziehbar.
Das BMF erklärt, dass Vorfälligkeitsentschädigungen nach dem BFH-Urteil vom 23.4.1996 (IX R 5/94, BStBl. II S. 595) zwar in Ausnahmefällen als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften abgezogen werden können, diese großzügige Rechtsprechung allerdings durch die jüngere BFH-Rechtsprechung (Urteil v. 11.2.2014, a.a.O.) überholt ist. Die bisherigen Rechtsgrundsätze dürfen noch auf Vorfälligkeitsentschädigungen angewandt werden, bei denen das zugrunde liegende (obligatorische) Veräußerungsgeschäft vor dem 7.7.2015 abgeschlossen wurde.
Schuldzinsenabzug vor Verkauf
Hat der Vermieter seine Einkunftserzielungsabsicht bereits vor der Veräußerung seines Mietobjekts aufgegeben, können Schuldzinsen für Anschaffungs-/Herstellungskostendarlehen eines Mietobjekts bereits ab dem Zeitpunkt der Aufgabe nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden. Denn die Schuldzinsen stehen dann nicht mehr in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Vermietungseinkünften (BFH, Urteil v. 21.1.2014, a.a.O.). Ein steuerlicher Abzug gelingt auch nicht im Zuge eines privaten Veräußerungsgeschäfts, da kein Veräußerungstatbestand erfüllt ist.
Hinweise: Die Rechtsgrundsätze sind auch bei Schuldzinsen für fremdfinanzierte Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) anzuwenden, bei denen die Einkunftserzielungsabsicht nach dem 31.12.2014 aufgegeben worden ist. Hat der Vermieter die Absicht bereits früher aufgegeben, bleibt es bei den alten Rechtsgrundsätzen im BMF-Schreiben vom 3.5.2006 (a.a.O.).
Schuldzinsen für fremdfinanzierte Werbungskosten
Hat der Vermieter in der Vergangenheit sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) durch ein Darlehen finanziert, kommt es für die Frage des nachträglichen Schuldzinsenabzugs ebenfalls auf den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung an:
Veräußerung nach dem 31.12.2013
Bei einem rechtswirksamen Abschluss des Veräußerungsgeschäfts nach dem 31.12.2013 setzt ein nachträglicher Werbungskostenabzug – wie bei Anschaffungs-/Herstellungskostendarlehen – ebenfalls voraus, dass der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des Darlehens ausreichte.
Veräußerung vor dem 1.1.2014
Hat der Vermieter das Veräußerungsgeschäft vor dem 1.1.2014 abgeschlossen, dürfen Schuldzinsen für fremdfinanzierte Erhaltungsaufwendungen noch stets als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden. Es muss nicht untersucht werden, ob und inwieweit ein Veräußerungserlös zur Darlehenstilgung ausgereicht hätte. Denn es bleibt bei diesen Altfällen bei den Aussagen im BMF-Schreiben vom 3.5.2006 (BStBl. I, S. 363), wonach der durch die ursprüngliche Darlehensverwendung geschaffene Veranlassungszusammenhang mit den Vermietungseinkünften bestehen bleibt.
Anwendungsbestimmungen
Die neuen Grundsätze gelten – sofern das BMF in seinem Schreiben explizit keinen anderen Anwendungszeitpunkt genannt hat – in allen offenen Fällen. Die bisherigen BMF-Schreiben vom 28.3.2013 (a.a.O.) und vom 15.1.2014 (BStBl. I S. 108) wurden durch das neue Schreiben ersetzt.
Fazit
Mit der neuen Weisung reagiert das BMF auf die neuere BFH-Rechtsprechung zum nachträglichen Schuldzinsenabzug und führt seine bisherigen (teils anderslautenden) Verwaltungsanweisungen zusammen. Hervorzuheben ist die neue Aussage des BMF, dass ein nachträglicher Schuldzinsenabzug nun auch bei Grundstücksverkäufen möglich ist, die keine privaten Veräußerungsgeschäfte sind.
BMF, Schreiben v. 27.7.2015, IV C 1 – S 2211/11/10001
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