Rz. 12
Stand: EL 138 – ET: 6/2024
Ein häusliches Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen, wenn nach Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse und der Tätigkeitsmerkmale dort diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht werden, die für die konkret ausgeübte betriebliche oder berufliche Tätigkeit wesentlich und prägend sind. Bei der Gesamtbetrachtung zur Beurteilung des Mittelpunktes der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung sind nur solche Einkünfte zu berücksichtigen, die grundsätzlich ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum erfordern; Versorgungsbezüge bleiben bei dieser Betrachtung daher außen vor (> BFH-Urteil vom 11. November 2014 – VIII R 3/12, BStBl II 2015 S. 382). Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im Sinne des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b Satz 2 EStG bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen.
Rz. 13
Stand: EL 138 – ET: 6/2024
Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine indizielle Bedeutung zu; das zeitliche Überwiegen der außerhäuslichen Tätigkeit schließt einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht von vornherein aus (> BFH-Urteile vom 13. November 2002 – VI R 82/01, BStBl II 2004 S. 62, VI R 104/01, BStBl II 2004 S. 65 und VI R 28/02, BStBl II 2004 S. 59). In Fällen, in denen die das Berufsbild prägende Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers stattfindet, kann auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers keine Verlagerung des Mittelpunktes der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bewirken. In diesen Fällen erübrigen sich Feststellungen zum jeweiligen zeitlichen Umfang der betrieblichen oder beruflichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers (> BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 – VI R 71/10, BStBl II 2012 S. 234).
Rz. 14
Stand: EL 138 – ET: 6/2024
Übt ein Steuerpflichtiger nur eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit aus, die in qualitativer Hinsicht gleichwertig sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch am außerhäuslichen Arbeitsort erbracht wird, so liegt der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dann im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte der Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer tätig wird (> BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 – VI R 21/03, BStBl II S. 600).
Rz. 15
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Übt ein Steuerpflichtiger mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus, ist nicht auf eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigung abzustellen; vielmehr sind alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Es lassen sich folgende Fallgruppen unterscheiden:
- Bilden bei allen Erwerbstätigkeiten – jeweils – die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit.
- Bilden hingegen die außerhäuslichen Tätigkeiten – jeweils – den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
- Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet.
Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit, anhand konkreter Umstände des Einzelfalls glaubhaft zu machen oder nachzuweisen, dass die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und dass dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung, nicht auf die Vorstellung des Steuerpflichtigen (> BFH-Urteile vom 13. Oktober 2003 – VI R 27/02, BStBl II 2004 S. 771 und vom 16. Dezember 2004 – IV R 19/03, BStBl II 2005 S. 212).
Rz. 16
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Das häusliche Arbeitszimmer und der außerhäusliche Arbeitsort können nicht gleichermaßen "Mittelpunkt" der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b Satz 2 EStG sein (> BFH-Urteil vom 21. Februar 2003 – VI R 14/02, BStBl II 2004 S. 68).
Beispiele, in denen das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilden kann:
- Bei einem Verkaufsleiter, der zur Überwachung von Mitarbeitern und zur Betreuung von Großkunden auch im Außendienst tätig ist, kann das häusliche Arbeitszimmer Mittelpunkt der beruflichen Betätigung sein, wenn er dort die für den Beruf wesentlichen Leistungen (z. B. Organisation der Betriebsabläufe) ...