Rz. 7
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Für die Anwendung eines DBA ist der Staat zu bestimmen, in dem der Arbeitnehmer und ggf. der Arbeitgeber entsprechend Art. 1 i. V. m. Art. 4 OECD-MA ansässig sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ansässigkeit nach Art. 4 OECD-MA sind unabhängig von der Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung eines Vertragsstaats oder einer entsprechenden steuerlichen Behandlung in einem Vertragsstaat zu prüfen (s. Rn. 12ff.). Der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit entspricht nicht dem im innerstaatlichen Recht verwendeten Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht.
Rz. 8
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Während die unbeschränkte Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht eine umfassende Steuerpflicht begründet, führt die Ansässigkeit einer Person in einem der Vertragsstaaten zu ihrer Abkommensberechtigung (Art. 1 OECD-MA). Zugleich wird mit der Bestimmung der Ansässigkeit einer Person in einem Vertragsstaat dieser Staat für die Anwendung des Abkommens zum Ansässigkeitsstaat der Person; der andere Vertragsstaat ist der Quellen- bzw. bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz OECD-MA auch der Tätigkeitsstaat. Eine Person kann zwar in beiden Vertragsstaaten (z. B. aufgrund eines doppelten Wohnsitzes) unbeschränkt steuerpflichtig sein, dagegen kann sie nur in einem der beiden Vertragsstaaten als ansässig i. S. eines DBA gelten (s. Rn. 12ff.). Die abkommensrechtliche Bestimmung der Ansässigkeit hat keine Auswirkung auf eine bestehende inländische Steuerpflicht. Die Ansässigkeit i. S des Art. 4 OECD-MA kann sich während eines VZ auch ändern.
Rz. 9
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Eine natürliche Person ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (s. Tz. 2.1, Rn. 42ff. zur Steuerpflicht nach dem EStG). Eine Ansässigkeit in einem Vertragsstaat wird nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA jedoch nicht begründet, wenn die Person in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenen Vermögen steuerpflichtig ist, die Person nach deutschem Rechtsverständnis dort also nur einer beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Dies gilt auch für Abkommen, in denen der deklaratorische Zusatz des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA nicht enthalten ist. Die Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA setzt damit eine unbeschränkte Steuerpflicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten voraus. Die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG begründet hingegen keine Ansässigkeit in Deutschland.
Rz. 10
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Zu beachten sind außerdem die Besonderheiten, die sich durch die speziellen Regelungen in einzelnen DBA (z. B. Art. 4 Abs. 3, 4 und 6 DBA-Schweiz, Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b DBA-VAE (Letzteres anzuwenden bis 31. Dezember 2021), Special Tax-Regime Spanien (Protokoll Ziffer II zum DBA-Spanien) bzw. durch den Rückgriff auf das jeweilige innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten (z. B. China, Südafrika) ergeben können.
Rz. 11
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Nach China entsandte Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers können unter Berücksichtigung des chinesischen Einkommensteuerrechts auch dann in China i S. des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-China ansässig sein, wenn sie der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, aber in den ersten sechs Kj. der Entsendung die dortige Steuerbefreiungsvorschrift für Ausländer in Anspruch nehmen. Ab dem VZ 2019 ist Voraussetzung für die unbeschränkte Steuerpflicht in China, dass sich der Arbeitnehmer an mindestens 183 Tagen im Kj. in China aufhält. In diesem Fall sind sie zwar dem Grunde nach unbeschränkt steuerpflichtig, werden aber lediglich mit ihren Einkünften aus chinesischen Quellen (Arbeitstage in China sowie Arbeitstage außerhalb Chinas, soweit der Lohn von einem chinesischen Arbeitgeber/einer chinesischen Betriebsstätte wirtschaftlich getragen wurde) besteuert.
Rz. 12
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Eine Person kann für die Anwendung des DBA nur in einem Vertragsstaat als ansässig gelten. Ist die Person nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in beiden Vertragsstaaten ansässig (sog. doppelte Ansässigkeit), ist nach der in Art. 4 Abs. 2 OECD-MA festgelegten Prüfungsreihenfolge festzustellen, in welchem Vertragsstaat die Person als ansässig gilt.
Rz. 13
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Verfügt die Person nur in einem Staat über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie nur in diesem Staat als ansässig. Unter einer ständigen Wohnstätte sind Räumlichkeiten zu verstehen, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind, die ständig genutzt werden können und die tatsächlich regelmäßig genutzt werden. Eine als Familienwohnung genutzte Wohnung ist dabei bis zum Ende des Mietverhältnisses bzw. dem tatsächlichen Auszug der Familie als eine ihr zur Verfügung stehende ständige Wohnstätte i. S. des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA anzusehen...