Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbösernde Änderungsfestsetzung

 

Leitsatz (NV)

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rückwirkung einer verbösernden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsfestsetzung wegen mangelnder Erheblichkeit der neuen Tatsache.

2. Ein unbefristeter KraftSt-Bescheid kann wegen einer die Änderung rechtfertigenden neuen Tatsache (1.) jedenfalls mit Wirkung für künftige Entrichtungszeiträume geändert werden.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; KraftStG §§ 8, 6, 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Das Kraftfahrzeug des Antragstellers und Beschwerdegegners (Antragsteller), ein Geländewagen "Mitsubishi L 040 Pajero", wurde nach einer Umrüstung (Entfernung der hinteren Sitzbank und der hinteren Sicherheitsgurte, Einbau einer Trennwand zur Ladefläche) Anfang 1994 verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen eingestuft und dann auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich entsprechend behandelt (Gewichtbesteuerung gemäß Steuerbescheid vom 17. März 1994). Aufgrund einer im November 1994 eingeleiteten Überprüfung gelangte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) zu der Auffassung, daß trotz des Umbaus weiterhin ein Personenkraftwagen vorliege, und setzte für die Zeit ab 14. Januar 1994 durch den auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Bescheid vom 25. Juni 1996 die Kraftfahrzeugsteuer entsprechend fest (Hubraumbesteuerung). Über den Einspruch des Antragstellers gegen die Änderungsfestsetzung ist noch nicht entschieden. Seinem vom FA abgelehnten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde vom Finanzgericht (FG) entsprochen. Dieses bejahte die Vollziehungsaussetzung begründende Rechtmäßigkeitszweifel und führte aus, für die rückwirkende Änderung fehle es an der Rechtserheblichkeit (Ursächlichkeit) der vom FA herangezogenen neuen Tatsachen. Auch bei deren früherer Kenntnis wäre die Veranlagung vom 17. März 1994 wie geschehen vorgenommen worden. Die aufsichtsbehördliche Weisung, bei Umbauten von Personenkraftwagen die verkehrsrechtliche Einstufung als Lastkraftwagen zu überprüfen, sei dem FA erst Ende Juni 1994 zugegangen. Zuvor habe das FA offenbar keine Veranlassung gesehen, den Feststellungen der Zulassungsstelle nicht zu folgen (Hinweis auf einschlägige Entscheidungen anderer FG). Auch sei von einer Verletzung der finanzamtlichen Ermittlungspflicht auszugehen. Für künftige Entrichtungszeiträume sei eine Änderungsfestsetzung gleichfalls ausgeschlossen.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, die Neufestsetzung nach der Gewichtbesteuerung im Datenträgeraustauschverfahren habe nicht verhindert werden können, weil die Möglichkeit eines Zugriffs auf diese Daten nicht bestanden habe. Im Hinblick auf §6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) sei zumindest eine Änderungsfestsetzung ab Beginn des nächsten Entrichtungszeitraums (14. Januar 1997) möglich. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht sei zu verneinen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zum Teil, nämlich im Hinblick auf die Vollziehungsaussetzung der Änderungsfestsetzung ab 14. Januar 1997, begründet, im übrigen ist sie unbegründet. Bei der im vorliegenden Verfahren lediglich erforderlichen summarischen Überprüfung ergeben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Festsetzung (§69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nur, soweit von ihr frühere Entrichtungszeiträume betroffen sind. Solche Zweifel bestehen indessen für künftige Entrichtungszeiträume nicht.

1. Das FG hat die Änderungsfestsetzung sowohl wegen mangelnder Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache als auch wegen unzureichender finanzamtlicher Ermittlung für ausgeschlossen erachtet. Auf den letzteren Gesichtspunkt (zu ihm Senat, Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97 -- Abschn. II Nr. 2 --, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 598, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht -- UVR -- 1997, 298) braucht nicht eingegangen zu werden. Die Vorentscheidung wird jedenfalls, soweit die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für zurückliegende Entrichtungszeiträume ausgesetzt worden ist, von der ersten Erwägung getragen. Der Senat hat das in der Vorentscheidung angeführte Urteil des FG Nürnberg vom 12. November 1996 VI 188/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 499, 503), in dem in einem gleichgelagerten Fall wegen fehlender Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache die Anwendung von §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 verneint wurde, inzwischen bestätigt (n. v. Urteil vom 26. Juni 1997 VII R 10 u. 11/97; vgl. auch n. v. Urteil vom selben Tage VII R 12/97; beide Entscheidungen angeführt bei Olbertz, UVR 1997, 299 f.). Aufgrund dieser Rechtsprechung ergibt sich im Streitfall eine für die Aussetzung der Vollziehung hinreichende Möglichkeit des Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren, soweit über die rückwirkende Festsetzung gestritten wird. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die mangelnde Ursächlichkeit der neuen Tatsache ernstlich zweifelhaft erscheinen zu lassen.

2. Anders ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Änderungsfestsetzung zu beurteilen, soweit die letztere künftige Entrichtungszeiträume betrifft. Das FG hat nicht entschieden, ob das umgebaute Fahrzeug kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Personenkraftwagen (§8 Nr. 1 KraftStG) oder als "anderes" Fahrzeug (§8 Nr. 2 KraftStG) anzusehen ist. Nach Auffassung des Senats, der im Beschwerdeverfahren an Feststellungen der Vorinstanz nicht gebunden ist, sprechen überwiegende Gründe für die Einordnung des Fahrzeugs als Personenkraftwagen. Insoweit wird auf das Senatsurteil VII R 1/97 (Abschn. II Nr. 1) hingewiesen, in dem die kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Maßstäbe zur Bewertung umgebauter Personenkraftwagen dargestellt sind (vgl. auch das rechtskräftige Urteil des FG Nürnberg vom 17. Juli 1995 VI 83/94, EFG 1995, 1121 -- "Mitsubishi L 040 Pajero" --).

Die mangelnde Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache (Nr. 1) steht, anders als die Vorinstanz entschieden hat (im Anschluß an den Beschluß des FG München vom 4. September 1996 4 V 2398/96, UVR 1997, 27 f., Leitsatz in EFG 1997, 769), einer Änderungsfestsetzung für künftige Entrichtungszeiträume, wie sie bei zutreffender kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Einstufung veranlaßt ist, nicht entgegen (ebenso Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, S. 326). In seinem Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 398, BStBl II 1992, 324), auf das sich das FG München (a. a. O.) bezieht, hat der Senat zwar erkannt, daß die Änderung eines Kraftfahrzeugsteuerbescheides auch für die Zukunft ausscheidet, wenn der Berufung auf neue Tatsachen der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht. Diese Aussage bezieht sich jedoch auf Fälle, in denen der amtlichen Ermittlungspflicht nicht genügt worden ist. Sie ist zudem dahin einzuschränken, daß eine Änderung für die Zukunft bei einem Kraftfahrzeugsteuerdauerbescheid nur bezüglich eines noch nicht abgeschlossenen laufenden Entrichtungszeitraums zu unterbleiben hat. Da die Kraftfahrzeugsteuer (als Steuerzahlungsschuld; Senat, Urteil vom 9. Februar 1993 VII R 12/92, BFHE 170, 300, 302, BStBl II 1994, 207) bei fortlaufenden Entrichtungszeiträumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums entsteht (§6 KraftStG) -- also jeweils neu --, ist eine der Rechtslage entsprechende Neu- bzw. Änderungsfestsetzung möglich. Der Dauerbescheid hat bezüglich jedes Entrichtungszeitraums des durch die Fahrzeughaltung begründeten Kraftfahrzeugsteuertatbestandes (§1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG) dieselbe Wirkung, wie sie hierfür erlassenen Einzelsteuerbescheiden zukäme. Dies rechtfertigt es, für die Änderung gemäß §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 an den jeweiligen Beginn eines Entrichtungszeitraums anzuknüpfen, hier mit der Wirkung, daß die Änderungsfestsetzung, weil insoweit auf einer rechtserheblichen neuen Tatsache beruhend, ab dem mit dem 14. Januar 1997 beginnenden Jahresentrichtungszeitraum (§11 Abs. 1 KraftStG) für zulässig zu erachten ist.

3. Der Antragsteller hat hiernach hinsichtlich der Vollziehungsaussetzung der Festsetzung für drei Entrichtungszeiträume Erfolg. Der Erfolg des FA entspricht der Steuer für einen Jahresentrichtungszeitraum (zur entsprechenden Streitwertbemessung Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, Vor §135 Anm. 35 "Kraftfahrzeugsteuer", m. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66703

BFH/NV 1998, 89

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