Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung eines Dritten nach § 174 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 AO 1977
Leitsatz (NV)
1. Für die Beiladung des Dritten nach § 174 Abs. 5 AO 1977 genügt schon die Möglichkeit, daß ein Steuerbescheid wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und daraus bei dem Dritten steuerliche Folgen zu ziehen sein könnten.
2. Der nach § 174 Abs. 5 AO 1977 Beigeladene erhält die Stellung eines notwendig Beigeladenen.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 4-5
Tatbestand
Vor dem Finanzgericht (FG) ist streitig, ob die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) am 31. Januar 1992 vom Beigeladenen erworbene Eigentumswohnung bereits im Jahr 1991 oder erst im Jahr 1992 fertiggestellt worden ist. Hiervon hängt ab, ob den Klägern der erweiterte Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusteht und ob der Beigeladene für 1991 Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 EStG beanspruchen kann.
Mit Schriftsatz vom 27. Februar 1995 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) unter Berufung auf § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, den früheren Eigentümer beizuladen.
Diesem Antrag hat das FG, gestützt auf § 174 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 60 Abs. 1 FGO, im Beschluß vom 12. Juli 1995 entsprochen und ausgeführt, der Beigeladene erhalte die rechtliche Stellung eines notwendig Beigeladenen i. S. des § 60 Abs. 3 FGO.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger. Zur Begründung tragen sie vor, das FG habe "die Rechtssituation des Beigeladenen durch die Einordnung unter § 60 Abs. 3 FGO im Sinne des § 60 Abs. 6 FGO verstärkt". Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung lägen jedoch nicht vor. Des weiteren spreche gegen die notwendige Beiladung, daß dadurch "eine Heilung einer gemäß § 365 AO erforderlichen einheitlichen Entscheidung bewirkt" und "die unterlassene Sachaufklärung zum an sich selbständigen Prüfungsvorgang, hier Gewährung der AfA nach § 7 Abs. 5 EStG durch das Finanzamt geheilt" werde.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht den Voreigentümer beigeladen und ihm die Stellung eines notwendig Beigeladenen eingeräumt.
Für die besondere Beiladung nach § 174 Abs. 5 i. V. m. § 174 Abs. 4 AO 1977 ist erforderlich
-- ein Antrag des FA (vgl. die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Mai 1994 IV B 84/93, BFH/NV 1995, 87, und vom 20. März 1995 V R 46/94, BFH/NV 1995, 858);
-- die Möglichkeit, daß ein Steuerbescheid wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus bei dem Dritten steuerliche Folgerungen zu ziehen sind, wobei grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob gegenüber dem Dritten ergangene Bescheide geändert werden können (so z. B. BFH-Beschluß vom 22. September 1993 II B 67/93, BFH/NV 1994, 216 m. w. N.).
Liegen -- wie im Streitfall -- diese Voraussetzungen vor, erhält der Beigeladene die Stellung eines notwendig Beigeladenen. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 ist eine Beiladung unabhängig davon zulässig, ob auch die Voraussetzungen des § 60 FGO erfüllt sind; die Vorschrift enthält danach einen selbständigen Beiladungsgrund. Die Beteiligung des Dritten am Verfahren soll dem FA die Möglichkeit eröffnen, gegen ihn einen Bescheid zu erlassen oder einen bestandskräftigen Bescheid zu ändern, weil ein bestimmter Sachverhalt einheitlich und zutreffend beurteilt werden soll. Eine rechtliche Abhängigkeit der "Folgeänderung" wird in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 nicht vorausgesetzt. Da die Interessenlage des gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 Beigeladenen der eines notwendig Beigeladenen vergleichbar ist, ist es gerechtfertigt, diesem entsprechende Rechte einzuräumen (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344, und die Beschlüsse vom 12. Oktober 1993 IV B 123/91, BFH/NV 1994, 681 sowie in BFH/NV 1995, 87).
Fundstellen