Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederholter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung; keine Beschwerde gegen vom FG abgelehnte Aussetzung ohne Zulassung; außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft
Leitsatz (NV)
- Ein die Aussetzung der Vollziehung ablehnender Beschluss des FG erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 FGO darf das FG trotz Unanfechtbarkeit seiner ablehnenden Entscheidung erneut über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden.
- Die Beschwerde gegen einen die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschluss des FG steht nach § 128 Abs. 3 FGO den Beteiligten nur zu, wenn sie das FG ausdrücklich zugelassen hat. Eine außerordentliche Beschwerde ist seit In-Kraft-Treten des § 321a ZPO generell nicht mehr statthaft.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 6, § 70 S. 1, § 128 Abs. 3, § 129 Abs. 1; ZPO § 321a
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1995 bis 1998 mit Beschluss vom 31. Juli 2001 ab und ließ die Beschwerde nicht zu. Bezüglich der Hauptsache ist beim FG ―nach erfolglosem Einspruch― eine Anfechtungsklage anhängig.
Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2001, beim FG eingegangen am 15. Oktober 2001, legten die Prozessvertreter namens des Antragstellers Beschwerde ein und trugen u.a. vor, der unanfechtbare Beschluss sei ihnen mit Schreiben vom 14. September 2001 zugestellt worden.
Der erkennende Senat verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2001 III B 153/01 als unzulässig.
Mit Schriftsatz vom 22. April 2003, eingegangen beim FG am 23. April 2003, legten die Prozessvertreter erneut Beschwerde namens des Antragstellers gegen den o.g. Beschluss des FG ein und tragen vor, ihnen sei dieser Beschluss erst am 10. April 2003 übersandt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass die Aussetzungsanträge für die Einkommensteuer 1995 bis 1998 abgelehnt worden seien.
Bereits in den Jahren 1991 bis 1994 versteuerte Betriebseinnahmen würden für die Streitjahre 1995 bis 1998 nochmals besteuert. Unverständlich sei, weshalb das FG unter Mitwirkung des Berichterstatters, Richter am Finanzgericht X, der bereits einmal wegen Befangenheit abgelehnt worden sei, dies billige. Dem Gericht sei offensichtlich der Sachverhalt nicht verständlich.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des FG vom 31. Juli 2001 aufzuheben und die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 1995 bis 1998 auszusetzen.
Das FG hat die Beschwerde dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Ablehnende Beschlüsse des FG über Anträge nach § 69 Abs. 3 FGO erwachsen nicht in materielle Rechtskraft (BFH-Beschluss vom 21. August 1975 VIII S 9/75, BFHE 116, 528, BStBl II 1976, 21). Trotz Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Ablehnungsentscheidung darf mithin neu entschieden werden.
Nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO kann das Gericht Beschlüsse über Anträge nach § 69 Abs. 3 FGO jederzeit ändern oder aufheben. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO kann jeder Beteiligte einen entsprechenden Antrag wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Indes hat der fachkundig vertretene Antragsteller keinen derartigen Antrag an das dafür sachlich zuständige FG gerichtet. Vielmehr hat er ausdrücklich eine Beschwerde eingelegt. Dass eine Beschwerde gewollt war, ergibt sich auch aus der Begründung, der angefochtene Beschluss sei den Prozessvertretern erst am 10. April 2003 übersandt und damit ―so ist der Vortrag zu verstehen― auch erst wirksam geworden.
Die Verweisung eines Antrags nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO an das hierfür sachlich zuständige FG nach § 70 Satz 1 FGO kommt daher nicht in Betracht.
2. a) Die Beschwerde ist unstatthaft; denn das FG hat sie nicht zugelassen (§ 128 Abs. 3 FGO). Vielmehr hat das FG den Antragsteller im Beschluss vom 31. Juli 2001 ausdrücklich dahin gehend belehrt, dass der Beschluss unanfechtbar sei.
b) Unbeschadet der Statthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde galt jedenfalls auch für sie die Beschwerdefrist gemäß § 129 Abs. 1 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Januar 2000 VII B 292/99, BFH/NV 2000, 481). Ist der angefochtene Beschluss des FG, wofür der eindeutige Vortrag im Beschwerdeverfahren III B 153/01 spricht, den Prozessvertretern des Antragstellers schon im September 2001 bekannt gegeben worden (vgl. auch § 53 Abs. 1 FGO), dann ist die Beschwerdefrist für die erst am 23. April 2003 beim FG eingegangene Beschwerde ganz offensichtlich abgelaufen gewesen.
Wäre der angefochtene Beschluss den Prozessvertretern entsprechend ihrer ―allerdings in eindeutigem Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Vorbringen stehenden― nunmehr mit der Beschwerde vom 23. April 2003 aufgestellten Behauptung erstmals unter dem 10. April 2003 bekannt gegeben worden und hätte dementsprechend den Lauf der Beschwerdefrist ausgelöst, so wäre die Beschwerde ebenfalls unzulässig; denn nach der Rechtsprechung des BFH ist eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit im FG-Prozess mit in In-Kraft-Treten des § 321a der Zivilprozessordnung zum 1. Januar 2002 generell nicht mehr statthaft (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; vom 12. Dezember 2002 V B 185/02, BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270, und vom 29. Januar 2003 I B 114/02, BFHE 201, 11, BStBl II 2003, 317).
Fundstellen
Haufe-Index 958721 |
BFH/NV 2003, 1211 |