Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft
Leitsatz (NV)
- Hat das FG die Beschwerde gegen einen die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschluss nicht zugelassen, ist dagegen kein Rechtsmittel gegeben; eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht § 128 Abs. 3 FGO nicht vor.
- Eine außerordentliche Beschwerde wegen Versagung rechtlichen Gehörs ist sein In-Kraft-Treten des § 321a ZPO, der über § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, nicht mehr statthaft.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 128 Abs. 3, § 155; ZPO § 321a
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatte beim Finanzgericht (FG) zusammen mit einer Klage gegen die Ablehnung eines Erlassantrags beantragt, "das Finanzamt zu verurteilen", ihm, dem Antragsteller, "mindestens 1000,- € zu erlassen" und "sämtliche Vollziehungsmaßnahmen und Pfändungen auszusetzen".
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hielt in seiner Stellungnahme den Antrag für unzulässig. Mit Übersendung dieser Stellungnahme an den Antragsteller bat das FG (Schreiben vom 26. März 2003) um Mitteilung bis zum 30. April 2003, ob der Antrag zurückgenommen werde. Da der Antragsteller innerhalb der eingeräumten Frist nicht antwortete, wies das FG durch Beschluss vom 27. Mai 2003 den Aussetzungsantrag als unzulässig ab, weil nur ein vollziehbarer Bescheid ausgesetzt werden könne, der Bescheid über die Ablehnung eines Erlassantrags jedoch nicht vollziehbar sei. Die Beschwerde wurde nicht zugelassen, nach der Rechtsmittelbelehrung ist die Beschwerde gegen den Beschluss nicht gegeben.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die "Nichtzulassungsbeschwerde" des Antragstellers, die er mit Bedrohung bzw. Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz begründet. Außerdem hätte das FG bei der "Schwere des wirtschaftlichen Sachverhalts" vor einer Entscheidung nochmals die Beantwortung der Anfrage anmahnen müssen. Ihm sei daher das rechtliche Gehör verweigert worden, zumal zu berücksichtigen sei, dass vor Erlass einer negativen Entscheidung "der Vorschlag für eine mündliche Verhandlung dem Rechtsschutz gedient" hätte und das Hauptsacheverfahren noch laufe.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des FG zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb zu verwerfen.
1. Nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gegen die Entscheidung des FG über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung ausdrücklich oder ausnahmsweise noch in einem späteren Beschluss nachträglich vom FG zugelassen worden ist.
Das FG hat im Tenor des angefochtenen Beschlusses die Beschwerde ausdrücklich nicht zugelassen und der Beschwerde auch nicht abgeholfen.
2. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde sieht die FGO bei Entscheidungen des FG über einen Antrag auf AdV (§ 69 Abs. 3 FGO) nicht vor. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO ordnet lediglich die entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO in dem Sinne an, dass die dort genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das FG maßgebend sind. Die entsprechende Anwendung des § 116 Abs. 1 FGO ―die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision betreffend― ist in § 128 Abs. 3 FGO nicht vorgesehen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. August 2002 I B 83/02, BFH/NV 2003, 61, m.w.N.). Dagegen bestehen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).
3. Die Beschwerde ist auch nicht als außerordentliche Beschwerde zulässig.
Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I 2001, 1887) ist ein solcher Rechtsbehelf mit der Einfügung eines § 321a in die Zivilprozessordnung (ZPO) auch im Finanzgerichtsprozess generell nicht mehr statthaft. Nach § 321a Abs. 1 ZPO ist auf Rüge der durch ein unanfechtbares Urteil beschwerten Partei der Prozess vor dem Gericht des ersten Rechtszuges fortzuführen, wenn dieses Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern auch in anderen Fällen, in denen eine Prozessordnung die ZPO für entsprechend anwendbar erklärt. Dies ist für den Finanzgerichtsprozess durch § 155 FGO geschehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 IV B 162/02, BFH/NV 2003, 634; vom 22. Januar 2003 III B 120/02, nicht veröffentlicht ―juris―).
4. Eine Abgabe an das FG kommt nicht in Betracht, da das FG durch Nichtabhilfebeschluss über das Begehren bereits entschieden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1067335 |
BFH/NV 2004, 71 |